RE: Freiheit...
Wunderbar - und eben gar nicht so leicht. Ich bin total bei Dir, was die Reduktion von Begehrlichkeiten angeht. Ich bin weder asketisch veranlagt noch ein Genußignorant, aber ich mag nicht abhängig sein von irgendwem oder irgendetwas. Also versuche ich immer so zu leben, daß es auch ohne geht. Also ohne Konsum, Kommerz, Besitz, Erlebnis, Kontakt,... Wenn Du mich fragst, was ich wirklich brauche, ist die Liste echt kurz: gute Musik, Kaffee und Diskurs. Das ist aber nur in der Theorie so. Praktisch brauchen wir heute noch Geld. Nicht übermäßig viel, aber für die Deckung der Grundbedürfnisse. Das verdiene ich mit einem Job, der mir Freude macht und den ich als sinnvoll erachte. Keine Belastung durch ungeliebte Arbeit, also... Ich muß allerdings reisen dafür. Über Grenzen pendeln, von Baustelle zu Baustelle ziehen. Und da sind seit über einem Jahr entweder die Grenzen dicht oder Quarantänefristen einzuhalten, die mir kein Auftraggeber zusätzlich zahlen kann. Ich habe seit 15 Monaten von Ersparnissen gelebt, die ich auf ausreichend für 6 Monate +- geschätzt hatte. Einschränkung geht! Allerdings auch nur, bis nichts mehr übrig ist. Seit vier Wochen bin ich dabei, Schulden zu machen. Das ist in meinem Weltbild eigentlich nicht vorgesehen. Schulden machen abhängig - siehe oben. Meinen persönlichen Kreis kriege ich auf die Art halt gerade nicht rund; vielleicht suche ich deshalb nach Input ;-))
Das kann ich alles sehr gut nachvollziehen. Und wie immer hat jede Seite mehrere Medaillen und jeder Einzelne von uns hat seine eigene "Schmerzgrenze".
Du "erträgst" viele Einschränkungen von außen, weil du deinen Job gern ausübst und es ist deine freie Entscheidung, dafür jetzt sogar Schulden aufzunehmen. Irgendwann (ich wünsche dir natürlich nicht, dass es so kommt), könnte es sein, dass dir das zu viel wird und du es einfach nicht mehr willst. Dann könntest du die Begehrlichkeit auf den Job (weil er dir so viel Spaß macht) aufgeben. Dafür wirst du natürlich abwägen, kannst dennoch frei entscheiden. Dann wäre es sehr gut, dass du nicht unter der Entscheidung leidest, sondern aus deiner Genügsamkeit heraus sagst "So geht's auch und ich werde schon was finden, was mir wieder Freude macht."
Ich persönlich habe tatsächlich schon einige Goldklumpen eingetauscht.
Eine Aussage meiner Steuerberaterin vor etlichen Jahren werde ich nie vergessen, vielleicht war sie sogar (auch) ausschlaggebend für mein Umdenken:
Mein Ex-Mann und ich hatten ein Haus, der Verkauf wäre zum Zeitpunkt der Trennung eine "finanzielle Katastrophe" gewesen, also haben wir vermietet. Das war sehr nervig. Irgendwann, als die Immobilienpreise über Jahre endlich gestiegen und Kredite relativ günstig waren, beklagte ich mich bei der jährlichen Steuerberatung, dass ich nicht verstünde, weshalb die Mieter das Haus nicht endlich kaufen. Sie arbeiteten sogar in einer Bausparkasse und wüssten, dass sie im Vergleich von Miete zu Abtrag wesentlich günstiger fahren würden... "Besitz bindet."
Ja, ich bin jetzt dabei, quasi ein zweites Standbein aufzubauen. Mit wenig Energie, aber aus Notwendigkeit und darum auch aus eigenem Antrieb. Ich wollte noch 5, 6 Jahre weiter arbeiten wie bisher und dann langsam kürzer treten, meinen Nachfolger einarbeiten. Das sind so Lebensplanungen, von denen der Abschied bißchen schwer fällt. Sprich: der potentielle Nachfolger konnte es sich nicht leisten, so lange auf sein Einkommen zu verzichten, der hat halt kleine Kinder zu versorgen. Ob ich noch einmal jemanden finde, der mir so ähnlich denkt und agiert...? Ich finde ja auch, daß Brüche / Umbrüche gut Bausteine für etwas Neues sein können, ich bin kein negativer Mensch. Aber es darf auch mal zu viel werden. Ist gerade so. Im vollen Bewußtsein, daß alles Jammern auf hohem Niveau ist und viel Schlimmeres existiert als mein kleines Elend ;-)) Danke Dir!
Hi @chriddi, ich hab' dir im Discord eine PM geschickt. LG, Werner