Schäfchen zählen entspannt
Ich kann es selbst kaum fassen, doch beginne ich nach erfolgreicher Einarbeitung bereits seit neun Wochen jeden Tag mit einer freiwilligen Arbeit, die mir viel Freude bereitet. Nur zwei Vormittage nahm ich mir in diesen 7-Tage-Wochen "frei" - einmal für die Abschlussfeier meiner ehemaligen Schüler, einmal wegen eines Arzttermins - da habe ich "meine" Schäfchen fast schon vermisst. Das morgendliche Melken von Nachbars Schafen ist für mich zu einem lieb gewonnenen Ritual geworden, meine heilige Stunde, die einer sorgenfreien Meditation gleicht.
Sobald ich meinen Drahtesel schwungvoll auf dem Hofplatz abgestellt habe, werde ich vom Wachputer lautstark angekündigt. Da wir uns mittlerweile gut kennen, versucht er zumindest nicht mehr, nach mir zu hacken, wenn ich sein Gehege betrete, um in den Schafstall zu gelangen. Ich bin ihm aber auch stets mit Freundlichkeit begegnet, denn der Bursche gehört zum langjährigen Inventar. Er weiß, dass ein makaberes "Na warte, wir sprechen uns Weihnachten!" für ihn nichts als eine leere Drohung darstellt.
Wie viel wie im Fluge vergangene Zeit schon ins Land gezogen ist, erkenne ich beispielsweise an den Küken der Hühner, die auf diesem Hof überall dort ihre Eier legen dürfen, wo sie gerade lustig sind (geschieht dies über Nacht in einem Schafsfuttersack, tut es mir immer etwas leid, die Glucke zu vertreiben): Schwups, sind sie flügge...
Auch die Flaschenlämmchen haben ihr "chen" verloren und sind fast ausgewachsene Lämmer. Bei dem kleinen Bock muss ich sogar schon aufpassen, dass er seine im ausgelassenen Spiel mit Gleichaltrigen erworbene Fähigkeit des Rammens nicht vor lauter Übermut an meinen Kniekehlen ausprobiert. Das gelingt durch kleine Streicheleinheiten der noch so schön flauschigen Babywolle.
Apropos Wolle: Bei der jüngsten Hitzewelle hätte ich nicht in dieser stecken mögen (obwohl sie die Tiere isolierend ebenso vor Hitze wie vor Kälte oder Regen schützen soll), dem Schafscherer musste jedoch abgesagt werden, da die frisch geschorenen Schafe sonst der Gefahr eines Sonnenbrands ausgesetzt gewesen wären. Aber übermorgen geht's los! Ein voller Arbeitstag angesagter Kraftanstrengungen, auf die ich mich genauso freue wie auf die tägliche Routine.
Wer zuerst im Stall ist, bereitet den Melkstand und die Melkmaschine vor. Seit sich die Bäuerin darauf verlassen kann, dass ich die Melkmaschine samt Überprüfung aller Schlauchverbindungen und Melkgeschirre eigenständig bediene, bin ich meist als erstes im Stall, weil sie oft die Zeit nutzt, in der Käserei Kulturen anzusetzen.
Dann gehe ich beschwingt zur Weide, wo die Schafe bereits am Gatter warten. Es sind weder Hunger (die Weide bietet noch saftiges Gras in Hülle und Fülle) oder Appetit auf eine Getreidemischung noch der Schäferhund, der nie anwesend ist, wenn man ihn braucht, was die Tiere zum Melkstand treibt, sondern schlicht die tägliche Gewohnheit, gesteuert von einer inneren Uhr.
Einige Damen erscheinen heute farbig markiert auf dem Melkstand, denn sie haben im Anschluss ans Melken einen Pediküretermin - ihre Klauen müssen geschnitten werden. Doch zunächst einmal bitte immer zu zwölft die schmale Rampe hinauf. "1, 2, 3, 4 - ups, das war ein Lamm, das nachts übers Gatter gehüpft ist - 4, 5, 6..."
Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat sich eine perfekte Teamarbeit etabliert. Jemand melkt vor, die andere legt schon mal die Melkgeschirre an. Es gibt acht Melkgeschirre, von denen aber nur vier benutzt werden, wenn man alleine melkt. Alles andere wäre unnötiger Stress, da man ständig im Auge haben muss, wo keine Milch mehr fließt, denn das Pumpen am leeren Euter würde Schmerzen für das Schaf bedeuten. Zu zweit benutzen wir alle acht Zapfhähne und sind in der Regel nach nur einer Stunde samt aller Vor- und Nachbereitungen mit dem Melken von 48 frei laufenden Schafen fertig.
Das Reinigen des Melkstands gehört nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten. Doch hier sowie beim Melken an nassen Tagen, an denen ich bis über die Ellenbogen mit Schafskot beschmiert bin, gehe ich pfeifend meinen Aufgaben nach. Fröhlichkeit bei der - teils sehr anstrengenden ("Wow, hast du Muskeln gekriegt!") - Arbeit habe ich nach vielen Jahren erst in den letzten Wochen wiederentdeckt. Weil sie für mich Sinn ergibt und mich erfüllt, mich wenigstens für eine Stunde den Alltag, der nach wie vor durch gedankliche oder konkrete Dauerbeanspruchung sehr pflegebedürftiger Schwiegereltern geprägt ist, fast meditativ vergessen lässt.
"Du solltest dich mal hören, wenn du von der Arbeit erzählst", sagte mein Mann neulich lachend beim von ihm vorbereiteten Sonntagsfrühstück. Oh ja, ich höre mich! Vor allem höre ich mich erzählen, was lange nicht gegeben war. Ich hätte fast ausschließlich negativen Beschreibungen selbst nicht zuhören mögen. Aber ich höre mich auch kichern und spüre das Strahlen in meinen Augen, wenn ich von den "Ärgernissen" des Morgens berichte:
- Ein gefräßiges Lamm schleicht sich in die Scheune und wirft den Futtereimer um.
- Ein Flaschenlamm, das einem sonst auf Schritt und Tritt folgt, empfindet das Wildblumenbeet vor dem Stall reizvoller als eine Rückkehr in denselben und die anschließende "wilde Jagd" als lustiges Spiel.
- Ein Schaf pinkelt just in dem Moment, als ich mit runter gebeugtem Kopf den richtigen Sitz des Melkgeschirrs kontrolliere.
- Ein anderes stellt sich verkehrt herum auf den Melkstand und wird mit rausgestreckter Zunge auch noch frech.
Kurzum: Momentan lasse ich mich deutlich lieber von Schafen ansch... als von bockigen Schülern, deren Eltern oder sonstigen unzufriedenen Zeitgenossen.
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Ich glaube dem Truthahn sind zu viele Frauen auf dem Hof (Menschen, Hühner, Schafe) und er versucht verzweifelt das einzudämmen... 😉😁✌️
VG @jensvoigt
Na ja, wenn Geschrei und Gewalt die männliche Lösung gegen Frauenpower ist... 😜
Grml... Du wieder.... 🙄
😁 ... 😘
Schön, dass du mal wieder ein kleines Schäfchen Update machst ;) Wie man sieht erlebst du viel mit den Tieren. Auch Schafe können hin und wieder mal zickig werden;) Aber ich denke du hast deine Schäfchen schon ganz gut im Griff.
Danke dir. Ja, wurde mal wieder Zeit, "was Schönes" zu schreiben... ;-)
Es ist so schön, mit den Tieren zu arbeiten! Irgendwie erlebe ich dauernd, wie das Kind in mir Luftsprünge macht... :-))
Jo. Ich hatte meine Schäfchen auch früher immer im Griff - die mich aber auch... ;-)
Wie Entspannung klingt das ja nun nicht gerade, aber ich weiß wie du es meinst! ;p
Bei den meisten meiner Texte ist das eine sehr, sehr nützliche Grundvoraussetzung... ;-P
Very nice farm with a lot of sheep! The area is wonderful with the greenery. It seems that you had a fun and happy moment while staying on the farm.
The sheep are really cute, especially the one in your last photo! He made a funny gesture.
I absolutely agree with you, these would certainly be a good meditation for you and can make you forget about any stress in your daily life.
Thanks so much for sharing. I enjoyed reading your story and these can make me feel relaxed and happy, too. ;)
Thank you for your as always detailed image descriptions, dear @tangmo.
In fact I am not on the farm for "fun and happyness", I work there. But yes, that gives me a lot of pleasure! It's a treat to be surrounded by animals, not having to discuss pointless resentments.
Kindest greetings from Northern Germany,
Chriddi
You're welcome!
Wishing you and your family a wonderful day! ;)
Ich habe eine neue Hightech-Tastatur, die supergeil ist, allerdings kann man die Buchstaben nicht sehen und eine Beleuchtung gibt es auch nicht. D.h., dass ich gerade nicht herausfinde, wie man die Zitiierpfeile setzt.
Nimm also bitte den letzten Absatz und setze von mir ein Ausrufe- und Bewunderungszeichen dahinter.
Das ist aber eine praktische Tastatur. Nun bewundere ich dein schriftstellerisches Talent noch mehr: Du kannst blind tippen... ;-)
Ah, du hast es auf Anhieb durchschaut, obwohl ich ansch... gar nicht ausschrieb. Jo, ich hab's getan! Zumindest den ersten großen Schritt. Alles Weitere muss sich ergeben, nun ist erstmal nur wichtig, wie lange die Kohle reicht... ;-)
Sag Deinem Mann, dass er anschaffen gehen soll und Dich unterhalten. Dann reicht auch das Geld! Das ist doch der Sinn einer Ehe, dass der Mann die Frau unterhält und sie ihm die Pantoffel bringt dafür und ihn bemitleidet und dankbar in Ehren hält.
Liebe Christiane,
das ist doch eindeutig ein Hammel in der Melkanlage, daran zu erkennen, daß er euch die Zunge rausstreckt.
Klasse ist der Spruch "Na warte, wir sprechen uns Weihnachten!"
Den versteht jeder Truthahn und jede Pute natürlich auch.
LG Jochen
Nee, nee, die Böcke sind ausgesperrt - die lenken zu sehr ab... 😂
Ich bin ja nicht so für die Drohungen. Habe sogar dem Herren des Hauses (als ich mal mit dem melkte) gesagt, dass ich es nicht so schön finde, wenn er jedem zweiten Schaf, das etwas zappelt, erklärt, was Hackfleisch ist. Schlechte Energien...
Was mich nun gedanklich dazu führt, ob ich zukünftig noch die beste Lammbratwurst der Welt essen mag... 🙄
Danke für deine Auseinandersetzung mit meinem Beitrag,
LG Christiane
Ein sehr schöner Bericht, der mich an einigen Stellen schmunzeln ließ. Gleichzeitig hat er mich an schone Urlaube mit meinen Großeltern auf einem Campingplatz in der Eifel erinnert. In der Nähe war ein Bauernhof und dort durfte ich helfen die Kühe von der Weide zum Melken in den Stall zu treiben. Dafür bekam ich dann eine kleine Milchkanne mit frischer Milch. Ich hätte das auch ohne Belohnung gemacht, für mich war das als Kind einfach ein großartiges Erlebnis.
Vielen Dank... :-))
Ich mach's auch ohne Belohnung. Okay, ich darf mir Eier und Schafskäse mitnehmen, wann immer ich möchte, aber so groß ist der Bedarf in einem Zweipersonenhaushalt nicht. Stimmt nicht! Die Belohnung ist Zufrieden- und Ausgeglichenheit. Dass man dafür erst über 50 werden muss...
Schön zu sehen, dass Sie eine gute Zeit haben und es genießen, etwas zu tun, was Sie leidenschaftlich gerne tun. Dieser Arzttermin! Ich gehe davon aus (wegen all der Aktivitäten, die Sie beschrieben haben), dass es Ihnen gesundheitlich gut geht, oder?
Grüße aus Venezuela!
No. La mujer del ganadero y yo sólo ordeñamos a mano el primer chorro de leche de la ubre. Después, una máquina se encarga del ordeño. Sólo hay que colocar las ventosas y volver a quitarlas con el tiempo.
Muchas gracias, pero no te preocupes: me va muy bien. A partir de los 50 años, el sistema sanitario alemán paga una revisión anual exhaustiva... ;-)
Un saludo desde el norte de Alemania,
Christiane
Ich habe bereits gesagt, dass ein solches Kunststück unmöglich ist (sogar für Sie 😅).
Ich bin so froh zu hören, dass es Ihnen gut geht!
Liebe Chriddi, mir gefällt die Liste am Schluss - ich könnte sie endlos weiterschreiben.... zwar nicht mit Schafen (noch nicht) aber bei den Hühnern und den Wachteln und den Kaninchen sieht es sehr ähnlich aus. Bin froh, dass wir von den 20 Hähnen nun 16 geschlachtet haben - die vier restlichen krähen nicht nur um die Wette - sie kämpfen auch um den ersten Platz... obwohl eigentlich jeder genügend Hühner sein Eigen nennen könnte - Betonung auf könnte ;-)
Nochmal ein nächtlicher Gruß an dich - die Planung bald wieder aktiver zu sein steht - und wird hoffentlich in der Umsetzung sichtbar werden :-) wir arbeiten noch daran!
Hey Natalie,
ich finde es auch witzig, worüber man sich plötzlich "ärgern" (wohl eher amüsieren) kann. Ein sicheres Zeichen dafür, dass ich auf dem richtigen Weg bin, ist, dass eine recht tiefe Sorgenfurche von meiner Stirn verschwunden ist!
Hihi, ja, ihr und euer Viehzeug! Fand ich schon immer klasse. Vor allem, dass ihr ja schon deutlich länger an wirklicher Erfüllung durch Mutter Natur arbeitet.
Freut mich, freut mich, freut mich - dann kann ich mir das Geld für eine Vermisstenanzeige ja sparen... ;-)
Herzliche Grüße,
Chriddi
Auf der Scholle steht so einiges an - und ein Schreiben und Posten steht in Arbeit....
sei geherzt
Wie schön! Du klingt rundum zufrieden. Bleibt Dir das jetzt erhalten oder ist es eine Verschnaufpause auf dem Weg zurück zum alten Streß? Was ich seeehr schade fände. Und mir war nicht bewußt, daß es für Schafe auch Melkstände gibt - ich dachte, das müßte per Hand gemolken werden...
Danke, es geht mir gut... :-)
Ich plane bis auf Weiteres, nicht wieder in den Schuldienst zurückzukehren. Wie das genau aussehen wird und inwieweit ich mich weiter auf dem Hof eingeben könnte, soll hier jedoch kein Thema sein.
Die Schafe müssen per Hand vorgemolken werden oder auch vollständig, wenn sie z.B. Entzündungen an den Strichen (Zitzen) haben. Dass es Melkstände für Schafe gibt, habe ich mir schon gedacht. Auch mit diesen Tieren gibt es ja riesige Betriebe. Dieser hier ist aber tatsächlich besonders. Marke Eigenbau. Die Melkmaschine ist einst für Kühe gewesen - ausrangiert, da nicht für Hochleistungsvieh geeignet. Das Melkgeschirr stammt aus Kanada, vielleicht gibt's dort mehr Schafwirtschaft.
Genau das habe ich gedacht, als ich deinen Post das erste Mal las. Die Zeilen brachten (auch ohne den letzten Satz) deutlich zum Ausdruck, dass dich das aktuell mehr erfüllt, als deine bisherige Aufgabe.
Aber für solche Erfahrungen ist so ein Sabbatjahr auch sehr wertvoll. Entscheidungen für die zukünftige Tätigkeit bedürfen ohnehin, insbesondere wenn man im Beamtenverhältnis steht, dann weiterer Betrachtungen.
Genau das ist der Punkt. Wenn du einfach mal so kündigst, ist das Land sehr, sehr böse und du kannst dich nach über 20 Jahren A13 auf die Rente einer halbtagsarbeitenden Friseurin freuen... Noch gibt es (auch nicht ganz günstige) Überbrückungsmöglichkeiten, aber wie gesagt gehört diese große Baustelle hier nicht hin... :-)