Über Teams, Kommunikation und Feedbackkultur - Teil 1: Teambildung
„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (Paul Watzlawik)
Im Folgenden wird der Leser mit einer wissenschaftlichen Ausarbeitung aus dem Bereich der Sprach- und Kommunikationswissenschaft konfrontiert. Der Text wird dreiteilig dargeboten, dabei auf die Aspekte Teamentwicklung, kommunikative Kompetenz und Feedback in stark komprimierter Kompaktheit eingegangen.
Es ist der Verfasserin bewusst, dass mit Entwicklung der Möglichkeit des elektronisch basierten Austauschs durchaus ein Paradigmenwechsel im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation stattgefunden hat, dennoch ist sie der Meinung, dass bestimmte Manifeste weiter als Grundbedingung bestehen. So wurde beim Verfassen auf das Durchsuchen neuerer Quellen im Internet verzichtet und auf sich im heimischen Bücherregal befindende Literatur zurückgegriffen.
Eine meinungsfreie Distanz wird während der Ausführungen gewahrt, der Text darf aber zur Meinungsbildung sowie zur Schlussfolgerung aufgrund von erkannten Parallelen auf dieser Internetplattform dienen.
Teamentwicklung
Der Begriff „Team“ bezeichnet zunächst nur eine Organisationsform einer arbeitsteiligen Tätigkeit, die eine Verbindung der an einem gemeinsamen Projekt beteiligten Mitarbeiter betont (vgl. Schley 1989, 330). Das Zusammenwirken der Mitglieder des Teams kann verschiedene Qualitäten annehmen. So spricht man von koagierender Zusammenarbeit, wenn diese ein Nebeneinander ist, jedes Teammitglied unabhängig von der Arbeit des anderen seinen Aufgaben nachgeht. Die kontraagierende Zusammenarbeit kann als Gegeneinander beschrieben werden, die beteiligten Personen arbeiten jeder für sich und werden durch sich überschneidende Aufgabenfelder zum Störmoment für die Tätigkeiten anderer Teamkollegen. Die für eine optimale Kooperation nötige Zusammenarbeitsform ist die interagierende. Diese ist letztlich das Miteinander der Teammitglieder. Die Tätigkeiten eines Mitarbeiters setzen die des anderen voraus, durch beständige Koordination gelangt man gemeinsam zum Ziel einer gemeinsamen Aufgabe (vgl. Rosenstiel 1996, 181f).
Die Arbeitsgruppierung von Personen unterschiedlicher Profession stellt also zunächst kein interagierendes Team dar, sie muss sich erst dazu entwickeln. Hierbei ist zuerst das Bewusstmachen der Faktoren, die auf die Teamentwicklung einwirken, nötig. Diese liegen nach Müri (1988) im fachlich-sachlichen, kommunikativ-kooperativen und methodisch-strukturellen Bereich, wobei an dieser Stelle nicht näher auf die den einzelnen Bereichen zugeordneten Aspekte eingegangen werden soll, da sich deren Erläuterung teilweise aus den weiteren Ausführungen zu den Voraussetzungen von Kooperation ergibt:
Die Entwicklung einer Arbeitsgruppe zum Team verläuft stets in spezifischen Phasen. Der amerikanische Sozialpsychologe Tuckman (1965) bezeichnet diese Prozessstufen als Forming, Storming, Norming und Performing (vgl. Rosenstiel 1996, 386ff und Schley 1989, 336ff).
Das Forming entspricht einer ersten Orientierung. Die Teammitglieder bilden rein formal die vorgesehene Arbeitseinheit, sie lernen sich kennen, „beschnuppern“ sich. Die Kollegen versuchen, die Persönlichkeitsstrukturen des anderen zu ergründen, Grundsteine für Kommunikationsbasen, wie z.B. Sympathie und Vertrauen, werden gelegt.
Während des Stormings werden den einzelnen Teammitgliedern implizit Rollen zugewiesen. Eine „Hackordnung“ wird ausgekämpft, man erprobt, wer im Team beispielsweise die Rolle des Richtungsweisenden, des Mitläufers oder des Sündenbocks übernimmt. Die Teamentwicklung „gärt“, Annäherungs- und Abgrenzungsprozesse finden statt.
Mit dem Norming werden Spielregeln für die Teamarbeit ausgearbeitet. Dies geschieht explizit, z.B. durch das Festlegen von teaminternen Vorschriften und Sanktionen, und/oder implizit, wenn sich Selbstverständlichkeiten während der Zusammenarbeit herausbilden.
Performing ist letztlich der Beginn der eigentlichen produktiven Arbeit, das Anstreben der Zielsetzungen des Teams. Die Mitglieder tragen kreative Ideen zur Aufgabenlösung bei, lernen voneinander und entwickeln sich zu einem echten „Wir“, was bald zur Routine in der gemeinsamen Arbeit führt.
Jede Entwicklungsphase ist durch spezifische Merkmale gekennzeichnet und tritt bei jeder Teamentwicklung, ob bei kurz- oder langfristig zusammenarbeitenden Gruppen, auf. Die Phasen laufen aufeinanderfolgend ab, wobei es durchaus vorkommt, daß z.B. bei Kommunikationsproblemen oder Teamkollegenwechsel auf vorherige Prozesse zurückgegriffen wird, schlimmstenfalls kein Performing erreicht wird.
Literatur
- Rosenstiel, L. v.: Das „gute“ Team: Spannungsfeld zwischen Autonomie, Kooperation und Führung. In: Opp, G. (Hrsg.): Focus Heilpädagogik - „Projekt Zukunft“. München 1996, S. 380-391
- Schley, W.: Teamentwicklung in Integrationsklassen. In: Schley, W. et al. (Hrsg.): Integrationsklassen in Hamburger Gesamtschulen. Hamburg 1989
- Schulz von Thun, F.: Miteinander reden. Störungen und Klärungen. Leck 1993
- Watzlawick, P., Beavin, J. H., Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern/Stuttgart/Toronto 1990
Hallo Christiane,
Du gestattest mir die freie Interpretation und das Heranziehen eines aktuellen Projektes, welches unter Nichtberücksichtigung aller von dir aufgeführten Vorstufen, dem Licht der Welt preisgegeben und somit ein frühes Scheitern leichtsinnigerweise heraufbeschworen wurde.
Wo wurden Fehler gemacht, deren Nichtbeachtung und fatalen Folgen auf das Projekt zum Alltag erklärt oder der blauäugigen Hoffnung auf Gottgelingen Vorschub geleistet.
Diese Herangehensweise führt wohl automatisch dazu, dass eine unstrukturierte, koagierende Zusammenarbeit plötzlich in ein kontraagierendes Muskelspiel abtriftet, an dessen Ende die Spachlosikkeit steht.
Nun stellt sich die Frage, was der Haufen Schrott im Hof noch wert ist. Subjektive Einschätzungen taugen für keine Wiederbelebung. Das kontraagierende System ohne Fachbereichsaufteilung scheint die Grundlage dessen, auf was ein Schafott errichtet wird.
Ein Neuanfang in der interagierenden, zukunftsweisenden Gestaltung scheint ferner denn je, aber nicht undenkbar.
Ich hoffe zumindest 50% dessen verstanden zu haben, was du uns näher bringen möchtest.
Du machst es einem auch nicht leicht am späten Sonntagnachmittag.
Liebe Grüße
Wolfram
Hallo Wolfram,
selbstverständlich bist du mit dem Bezug deiner Gedanken auf ein mir bekanntes aktuelles Projekt auf der richtigen Spur. Ich würde noch nicht soweit gehen, bereits bei den Teambildungsprozessen nach Fehlern zu suchen. Dass einzelne Phasen, wie geschehen, parallel zu einander verlaufen und auch der ein oder andere evaluierende "Rückschritt" nötig ist, ist recht normal.
Ich denke, die Fehler liegen eher in dem Bereich, den ich morgen aufzeigen werde. Jedoch werde ich mich momentan hüten, hier wertende Äußerungen zu tätigen. Manch einer wählt zur Aufarbeitung der Geschehnisse eines missglückten Gemeinschaftsprojekts Artikel, in denen noch einmal nachgetreten wird, ich habe mich für eine neutrale, distanzierte Betrachtungsweise über die Darstellung reiner Fakten entschieden, die keinen Raum für emotionale Reaktionen lässt, da es sich um erforschte Tatsachen handelt.
Nach Veröffentlichung des dritten und letzten Teils dieses Textes am #deutschdienstag ist es möglich, dass ich mich auf interpretierende Diskussionen einlasse und auch eine weitere Intention neben der rein inhaltlichen Darstellung von Gegebenheiten äußere.
Ein ganz persönliches Statement sei aber erlaubt: Ich sehe das Projekt nicht als gescheitert an und bin sicher, die verbliebenen und zukünftigen Projektteilnehmer werden sensibler agieren.
Also dann bis morgen?!
Liebe Grüße,
Christiane
Oh super, diese Reihe ist genau wie für mich gemacht. Habe mich direkt erinnert als ich die Phasen von Tuckman (Forming, Storming, Norming und Performing) lernen musste, da habe ich kleine Bilder der Gruppe gemalt um die Reihenfolge in den Kopf zu schaffen ^^ Da ich ja gerade beruflich neu starte, musste ich die Tage auch mal an die Thematik denken, also sehr schön, dass ich hier nochma auffrischen kann!
Ganz liebe Grüße =)
Die Idee mit den Bildern finde ich super gut!
Freut mich sehr, dass dir der Text gefällt (mittlerweile kann ich von "der" Text sprechen, da alle drei Teile raus sind). Zum Lernen eher ungeeignet, da zu komprimiert, aber zum Erinnern allemal gut. Ich erinnere mich auch gern immer mal wieder, das hilft in vielen Situationen, interaktive Geschehnisse allzu persönlich zu nehmen und sich riesige Gedanken zu machen. Man kann wenig ändern, die Abläufe sind eben so.
Ganz witzig finde ich auch immer wieder die Erkenntnis, dass man im Laufe des Lebens in vielen Teams immer wieder eine ähnliche Rolle einnimmt. Ob in der Schulklasse, im Sportverein, im Job, selbst im Freundeskreis.
Muss unbedingt mal wieder bei dir reinschauen und gucken, wie's dir nach deinem Neustart so geht :)
Auch ganz liebe Grüße,
Chriddi
Ja wir haben zu Beginn mal gelernt, dass wir ja über verschiedene Sinneseindrücke lernen und ausprobiert, was für uns gut funktioniert, bei mir landen optische Eindrücke oft tiefer im Inneren, das habe ich mir dann später immer zu nutze gemacht, wie man sieht sind die Bilder ja immer noch da haha
Genau, um es aufzufrischen ist "er" super, den Rest muss ich mir auch mal anschauen =)
Ich versuche aktuell auch meine neue "Rolle" zu finden, ist jetzt nochmal neu für mich, dass ich überwiegend mit einer einzigen Kollegin fest arbeite und die anderen wechseln. Die eine Kollegin schmeißt außerdem sehr eigenständig fast den kompletten Laden - das war im alten Betrieb mein Part, jetzt wird es spannend welche Rolle ich dann einnehme. Finde es aber ganz nett mal nicht ständig alles alleine erledigen zu müssen... Aber deine Aussage bringt mich zum Nachdenken, muss ich mal überlegen, ob es früher ähnliche Rollen waren, danke für den Denkanstoß meine Liebe.
Dir noch einen schönen Tag =) Liebe Grüße
Hihi, doch, doch, ich kenne das. Klassensprecher, Mannschaftsführer und jetzt, naja, auch in höherer Position, aber immer in der Opposition ;)
Alphatier und Alphatier gab es bei mir auch schon, aber mit dem "Alter" kehrt bei mir etwas mehr Ruhe ein und ich genieße es, wenn jemand anderes mal den Laden schmeißt. Selbstverständlich immer unter strengster Beobachtung, lol...
Ja, schau' dir auch die anderen Teile an, vielleicht bekommst du dann eine Idee, warum ich auf Steemit mit meinem Fachwissen herumwerfe ;)
Ganz liebe Grüße,
Chriddi
Hallo Chriddi,
die anderen beiden Teile habe ich gestern noch fleißig in Nachtarbeit gelesen und vieles wieder erkannt.
Eine Idee hatte ich bereits nachdem ich deinen Schnack mit Wolfram gelesen habe, es geht um aktuelle Differenzen in der Steemit-Team-Welt oder liege ich falsch? Will mich da aber definitiv raus halten, bin ein wenig geschockt was sich da aktuell so tut, da möchte ich ungern "mit mischen". Oder meinstest du jetzt etwas anderes? =)
Alles Liebe,
Yaraha
Hallo Yaraha,
du liegst genau richtig und ich denke, es ist sehr weise, dabei nicht mitzumischen. Ich bin halt direkt betroffen gewesen, habe aber ziemlich schnell geschwiegen, was nicht unbedingt meine Art ist, wenn nicht alles zum Einverständnis aller geklärt ist.
Ich freue mich aber, dass ich mich deshalb nochmal etwas ausgiebiger mit einem Fachbereich auseinandergesetzt habe. Das war meine Art der Aufarbeitung und nun ist für mich wirklich alles gut.
Noch vielmehr freue ich mich, dass du alle Texte gelesen hast! Das ist eine tolle Rückmeldung, die man bei wissenschaftlichen Texten, die man quasi ohne zu fragen, also ohne konkret nach Infos zu suchen, "vorgeknallt" kriegt, nicht erwarten kann. Danke sehr!
Liebe Grüße,
Chriddi
Ich weiß garnicht genau im Detail Bescheid, aber auch froh, dass anscheinend die düsteren Wolken überm Steemit-Himmel wieder vorbei gezogen sind...
Freut mich um so mehr, wenn du es als allseits geklärt bezeichnest, das erleichtert mich sehr ! =)
Na klar, ich liebe ja solche sozialwissenschaftlichen Texte, freue mich immer wieder über die geweckten Erinnerungen und teilweise auch neuen Denkanstöße, ich beschäftige mich gerne mit Kommunikation.
Man findet doch auch oft "zufällig" genau das hier, was gerade gut tut =)
Dir morgen einen schönen Feiertag!
Liebe Grüße
Yaraha
"T.E.A.M." -> "Toll, ein anderer macht's!"
;)
Hihi. Solange dies unter allen Beteiligten auf sachlicher Ebene ausreichend kommuniziert wird, ist dagegen nicht mal was einzuwenden ;)