1. Wie funktioniert Kommunikation und warum auch nicht?

in #kommunikation8 years ago (edited)

Stelle dir ein Land vor, dass du noch nie bereist hast. Du hast keine Vorstellung von der Landschaft, du hast keine Ahnung, welche Verkehrsverbindungen es gibt, das einzige, was du weißt, ist, welche Sprache dort gesprochen wird. Was würdest du tun, wenn du dieses Land bereisen wolltest? Wie würdest du dich vorbereiten?

Du würdest dir wahrscheinlich eine Strassenkarte besorgen, du würdest wahrscheinlich versuchen, ein paar Brocken der dort verwendeten Sprache zu erlernen, du würdest dich mit den dort herrschenden Gebräuchen befassen, um nicht unangenehm aufzufallen. Du würdest versuchen, dir ein für deine Zwecke möglichst sinnvolles und umfassendes Bild von deinem Reiseziel zu machen. Dies tust du, weil du dich möglichst nicht ohne Orientierungsmöglichkeit in einem dir unbekannten Land wiederfinden möchten.

Stell Dir dir vor, Du lernst einen Menschen kennen, natürlich einen, den Du noch nie zuvor getroffen hast. Du weißt nichts von seiner Vergangenheit. Trotzdem gehst Du davon aus dass du mit ihm kommunizieren könntest. Du erwartest, dass er schon verstehen wird was du sagen willst. Wie ist das möglich?
Du gehst davon aus, dass er oder sie deine Sprache spricht. Du erwartest, dass für beide eine Übereinkunft gilt, dass beide die gleichen Dinge mit den selben Worten bezeichnen. Du erwartest, dass diese Bezeichnungen eindeutig sind. Du bist der Überzeugung, dass ihr euch auf eine gemeinsame Basis bezieht – auf die gemeinsame Sprache.

Wenn wir mit Worten kommunizieren, erfolgt normalerweise ein Denkprozess, in dessen Verlauf sich Worte, Bilder, Emotionen, Erinnerungen und Assoziationen (und noch Vieles mehr) in unserem Kopf bilden. Die dann ausgesprochenen oder geschriebenen Worte werden von unserem Gegenüber aufgenommen und in dessen Gehirn verarbeitet. Wir gehen davon aus, dass unser Gegenüber die Worte genauso interpretiert wie wir sie gemeint haben. Normalerweise machen wir uns um diesen Vorgang überhaupt keine Gedanken. Schade eigentlich, denn Kommunikation ist die wichtigste Errungenschaft unserer Zivilisation. Sie ist durchaus einer genaueren Betrachtung Wert.

Was passiert genau?
In unserer Gedankenwelt ist alles vorhanden, was wir in unserem Leben erlebt haben. Unsere Kindheit, unsere Jugend, unsere Arbeit, unsere Beziehungen, all das Schlechte und auch das ganze Gute, das wir erlebten, macht unsere Gedankenwelt aus. Unsere persönliche Gedankenwelt ist einzigartig. Dies liegt daran, dass jedes Leben einzigartig ist, geprägt von individuellen Erfahrungen. Aus unseren Gedanken entstehen Einstellungen, Bilder, Hoffnungen, Erwartungen, Wünsche, manchmal Forderungen, wir haben unsere Voreingenommenheiten, unsere Bedenken, wir haben auch unsere Ängste.
All dies fließt in unsere Sprache ein, ist sozusagen die Grundlage für das, was wir mitzuteilen haben.

Denke doch einmal intensiv den Satz “Ich will etwas wirklich Schönes erleben”und stelle dir dann vor, was genau dieses „Schöne“ denn sein könnte.
Der Begriff “etwas Schönes” ist bewusst unscharf gefasst. “Etwas Schönes” ist für jeden von uns etwas völlig Verschiedenes. Für den einen ist es ein Sonnenuntergang am Meer, für den nächsten ist es ein Einkaufsbummel in der City oder vielleicht ein Tag beim Pferderennen? Kuscheln mit einem Partner? Eine tolle Party? Ein Fallschirmsprung?
Jeder empfindet “schön” als etwas anders. Das gleiche gilt für sehr viele andere Begriffe wie zum Beispiel „Liebe“, „Erfolg“, „Glück“, „Wohlstand“, „Sicherheit“ usw. Trotzdem verwenden wir diese Begriffe in unserer täglichen Sprache und gehen davon aus, dass unser Gegenüber das Gleiche denken wird, wenn er diese Worte hört, wie wir es meinten, als wir sie aussprachen.

Das einzige, was wir wirklich als sicher annehmen können, ist, das jeder Mensch, der unsere Sprache spricht, sich etwas vorstellen kann, was er als schön empfindet. Es ist aber völlig unsicher, was dies wohl sein mag.
Unser Empfinden für Schönheit in einer Situation ist vollkommen individuell.
Um zu wissen, was ein anderer Mensch als schön empfindet, müssten wir diesen Menschen sehr gut kennen. Aber was bedeutet dies genau?
Wir müssten diesen Menschen zumindest so gut kennen, dass wir seine persönliche Entwicklung nachvollziehen könnten und seine individuellen Vorlieben und Empfindungen wie unsere eigenen kennen würden. Dies ist kaum möglich.

Offenbar ist es also nicht möglich, den Inhalt von unscharfen Begriffen so zu transportieren, dass er genauso beim Empfänger ankommt wie der Sprechende es meinte. Woran liegt das?

Die Information, die wir eigentlich transportieren wollten, befindet sich in unserem Gehirn. Zum Zeitpunkt des Sprechens über etwas “Schönes” findet in unserem Gehirn ein Feuerwerk von Assoziationen, Erinnerungen und Bildern statt, dessen Konzentrat das Wort “schön” ist.
Worte können niemals all das transportieren, was uns gerade durch den Kopf geht. Die Information, die wir eigentlich transportieren möchten, wird erheblich konzentriert, nämlich auf dieses eine Wort “Schön” und dann ausgesprochen. Der Empfänger unserer Botschaft hört dieses Wort mit seinen Sinnen und interpretiert es auf seine Weise. Vielleicht hat er gerade eine schöne Situation erlebt oder etwas Schönes gedacht - etwas das für ihn persönlich schön ist. Dieses wird etwas völlig Anderes sein als das, was sich in unserem Kopf abgespielt hat. Die Interpretation des Begriffes “Schön” im Kopf des Empfängers beruht auf seinen (!) individuellen Erfahrungen. Diese sind völlig andere als unsere.

Was wäre also nötig, um das, was wir tatsächlich ausdrücken wollten, zu transportieren? Eine genaue Schilderung dessen, was wir als schön empfinden wäre enorm hilfreich.

Nehmen wir also das Beispiel eines Sonnenuntergangs, den wir als schön empfunden haben.
Erzählen wir davon: “Gestern war ich am Strand und habe einen wunderschönen Sonnenuntergang betrachtet.”
Ist diese Schilderung ausreichend? Was würde dir einfallen wenn Du diese Schilderung hören? Woran denkst du? An einen Strand, an dem du selbst gesessen hast, einen Sonnenuntergang betrachtend? Möglicherweise.
Aber was, wenn du noch nie an einem Strand gesessen und ein Sonnenuntergang betrachtet hast? Könntest du dir dann vorstellen, was dies bedeutet? Könnten du dir das Gefühl vorstellen, welches vielleicht hinter der Schilderung steckt? Wohl eher nicht.
Und wenn Du dir einen Sonnenuntergang am Strand vorstellen könntest, weil du ihn selber schon gesehen hast, was fehlt in der Schilderung sonst noch?
Wie war das Wetter? Hatte es zuvor vielleicht geregnet? War es warm? War es kalt? Waren viele Leute am Strand oder was es einsam? Wer war noch dabei? Was ging diesem Erlebnis voraus? Vielleicht einen Streit? Oder eine ganz andere, schöne Erfahrung? Wie war die Gefühlslage des Sprechenden zu diesem Zeitpunkt? Glücklich? Traurig? All dies geht aus der Schilderung nicht hervor. Es fehlt also etwas, damit wir genau wissen, worum es sich denn nun eigentlich genau drehte. Was für ein Strand war das? Wo befindet dich dieser Strand? Vor deiner Haustür? Im Urlaub? Wie sah der Strand aus? Waren viele Menschen dort oder war es einsam? Wie war das Wetter? War es warm? War es kalt? Wie war der Wind? Gab es Wellen? War die Sonne groß und rot oder klein und blass? Fuhren Schiffe auf dem Meer? War es überhaupt ein Meer oder vielleicht ein See?
Wenn wir alle diese Einzelheiten wüssten, wären wir dann in der Lage, die Situation nach zu empfinden? Oder würden noch andere Informationen fehlen?

Wenn wir nun wüssten, dass zu einem bestimmten Datum im August an einem warmen Sommerabend am leicht bevölkerten Strand der Nordseeinsel Amrum Windstärke 2 bestand, Wellen kaum vorhanden waren und zu einer bestimmten Uhrzeit die Sonne unterging, würden wir denken, dass dies sicherlich ein schönes Ereignis für jemanden war, der sich gerade dort aufhielt.

OK. Aber was macht aus diesem sicherlich nicht seltenem Ereignis etwas “Wunderschönes”? Anhand der Schilderung können sich sicherlich die meisten Menschen eine recht angenehme Situation vorstellen – mehr aber auch nicht. Etwas Wichtiges fehlt.
Wie kann der Sprechende dieses fehlende Etwas mitteilen? Wie kann der Hörende diese Mitteilung empfangen?
Und was hat dies alles mit unserer täglichen Kommunikation im normalen Leben zu tun, in der es ja sehr oft nicht um „Schönes“ sondern um ganz sachliche, reale Inhalte geht?
Warum denken wir so oft, es sei ja völlig egal, was wir sagen, da wir von manchen Menschen ja doch nicht verstanden werden?

Sort:  

Schönes ding würde ich mehr von lesen ;)

Teil 2 ist nun auch da. Ich denke, es werden noch so einige... ;)

Merci! Ist in der Mache... ;)

Hi! This post has a Flesch-Kincaid grade level of 7.5 and reading ease of 63%. This puts the writing level on par with Tom Clancy and F. Scott Fitzgerald.

Schöner Text. Das Thema versuch ich auch immer mit sehr ähnlichen Konzepten zu vermitteln.

Danke für die Blumen! ;)
Mal sehen, wenn es noch mehrere Leute interessiert führe ich das weiter fort.
Also: Feedback bitte...

Ach, ich würds davon gar nicht so abhängig machen. Aktuell sind ja noch nicht allzu viele Deutschsprachige auf Steemit.

Und noch als generellem Tipp:
Du hast nen recht langen Text geschrieben. Da helfen Bilder/Grafiken zwischendurch (auf Copyright aufpassen), um das etwas aufzulockern. Ist für viele Leute hier zB EIN Qualitätsmerkmal eines guten Blog-Posts. Wünsch Dir auf jeden Fall viel Erfolg! :D

Danke für den Tip. Muss erstmal rausfinden, wie ich ein Bild posten kann...
Ich lege ja eher Wert darauf, Bilder in den Köpfen zu generieren. ;)

Hier kannst Du Bilder hochladen.
https://www.steemimg.com/

Wenn Du nen Post erstellst/editierst, gibts in der Leiste oben irgendwo nen Knopf wo man den Link zum Bild dann einfügen kann.