Tag 2, Strukkampt Huk, Fehmarn, Mittwoch 3. Oktober 2018 Tag der Deutschen Einheit
Campermäßig ist heute nicht so viel passiert (das Wohnmobil hat bei 40 Knoten nachts wie eine kleine Jolle geschaukelt und mir den Schlaf geraubt, den ich mir aber mit einem herrlichen Mittagsschlaf zurück geholt habe), deshalb mal etwas zu einem der vielen anderen Themen, die mich beschäftigen:
ICH BIN WÜTEND!!!
Meine Güte, das kann doch nicht angehen, dieses ganze Schwanzvergleiche am Kitespot. Diese zwei Tage waren mal wieder besonders schlimm: Viel Wind, richtig viel Wind. Da geht natürlich nur die Crème de la Crème der doppelhodigen Spezies aufs Wasser um zu zeigen, wer den Größten mit den dicksten Eiern hat. Da fahren die Typen mit den Kites ineinander, springen anderen Kitern vor die Füße (ICH BIN POSEIDON, MIR GEHÖRT DAS MEER!!!) und überhaupt ist das alles lächerlich. Das fängt schon an mit dem "Federkleid": Imperator in Carbon, bunter Neo, Boardshorts überm Neo, keine Haube/Mütze (wer nichts in der Birne hat, dem kann wohl auch nichts einfrieren) und Boots sind sowieso der Inbegriff des Elitestylekiters. Und alles was man kann, muss natürlich möglichst dicht am Strand gezeigt werden: "SCHAUT HER, LIEBE WEIBCHEN, ICH BIN EIN BESONDERS POTENTES EXEMPLAR, NEHMT MICH ZUR BEGATTUNG UND AUFGEPASST, ANDERE MÄNNCHEN, DAS HIER IST MEIN REVIER!!!".
Eine ganz besonders tolle Erfindung, die den Schwanzvergleich sogar noch quasi-objektiv macht, ist die Woo oder Peak - ein kleines Gerät in einem wasserdichten Gehäuse, aufgeklebt auf das Board, was die Sprunghöhe, G-Kräfte und noch so einiges mehr misst. Die Daten kann man sich gleich auf der Smartwatch anzeigen lassen oder später synchronisieren und man wird dann im herstellereigenen Ranking gelistet. Da steht dann schwarz auf weiß, wer an welchem Spot und überhaupt die allerdicksten Eier hat, in der Einheit "Sprunghöhe".
"Die ist doch nur neidisch" - Pff, nichts gegen Leistung, Training und verschieben von Grenzen! Ich habe großen Respekt vor dem, der sich richtig hoch katapultiert und dann gekonnt landet - einfach nur rausballern und danach mit 12G aufs Wasser einschlagen ist albern. Federkleid kaputt - ach nee, auch damit kann man sich schmücken, wer am härtesten gecrasht ist.
Dieses Angebertum bringt mich auf die Palme!!! Das hat schon mal eine Freundschaft zerstört...
Selbstreflexion: Wie fühlst Du Dich gerade? Sympathisierend? Amüsiert? Empört? Kannst Du Deine Gefühle und deren Ursache klar abgrenzen? Ist es ein echtes Gefühl? (siehe z.B. hier: Echte und unechte Gefühle)
Mein Gefühl gerade ist: Wut - aktuell auch ein Thema in der Süddeutschen Zeitung: "Wohin mit der weiblichen Wut?"
"Sauer sein, ausrasten, die Fassung verlieren: Alles Dinge, die Frauen sich niemals leisten dürfen, wenn sie ernst genommen werden wollen. Denn Wut ist ein männliches Privileg."
Das ist ein sehr schöner Artikel, ich bin nicht mit Allem einverstanden und denke z.B. nicht, dass die Welt in Trümmern liegen würde, wenn Frauen auch wütend sein dürfen. Ich bin mir sicher, dass Frauen aus anderen Gründen wütend sind, als Männer: Ich werde wütend, wenn etwas ungerecht ist. Ich werde wütend, wenn sich zur eigenen Vorteilnahme nicht an Regeln gehalten wird - das ist ungerecht, also kein neuer Punkt. Ich werde wütend wenn Dinge nicht so klappen wie ich will - diese Wut ist nicht nützlich, das ist Kindergarten, das weiß ich selbst und darüber sollte ich auch mehr lachen als wütend zu werden, oder innehalten, runter kommen und es nochmal probieren.
Aber Wut aufgrund von Ungerechtigkeit ist wichtig! Wut setzt Energien frei. Mit Energien kann man etwas bewegen.
Nun ist Ungerechtigkeit ein weiter Begriff - Trump wird sicherlich auch aus einem Ungerechtigkeitsempfinden wütend, jedoch ist sein Gerechtigkeitsgefühl an egozentrische/narzistische Ziele geknüpft. Und schon gar nicht darf Wut in Gewalt gegen andere oder sich selbst umschlagen.
Was könnten weitere Gründe sein, aus denen Männer wütend werden? Stolz- und Ehrverletzung. Da wären wir wieder beim Federkostüm und meiner persönlichen Bewertung: Kindergarten und das alles hat schon mal gar nichts zu suchen in einem Bereich, in dem andere Menschen darunter leiden könnten: Menschen in Führungspositionen, Regierungschefs dürfen nicht aus Stolz- und Ehrverletzung wütend werden und in dieser Folge handeln! (Machtgefühle gehören meiner Meinung nach auch in die Kategorie "Stolz und Ehre".)
Ich möchte auch noch mal daran erinnern: Frauen und Männer sind beides Menschen (surprise, surprise), es gibt biologisch nur wenige Unterschiede und alle Menschen haben Gefühle, positive und negative, alle Menschen dürfen auch alle Gefühle haben und zeigen (immer mit meinem Paradigma, dass andere Wesen davon nicht negativ beeinflusst werden dürfen)!!!
Also dürfen Frauen auch wütend sein und Männer dürfen auch liebevoll sein!
Hier auch wieder ein sehr schöner Artikel in der SZ: "Umarmt Euch, Männer!"
"Was könnte helfen gegen die Auswüchse toxischer Maskulinität?" Gegen das ganze Schwanzvergleichen, Machtmissbrauch und die Gewalt in der Welt? "Wenn heterosexuelle Männer es schaffen würden, unverkrampft liebevoll miteinander umzugehen."
Männer können alles: Nobelpreise gewinnen, Staaten regieren, die Welt retten aber die meisten können eins nicht: miteinander liebevoll umgehen.
In diesem Artikel wird hauptsächlich über heterosexuelle Männer gesprochen und ja, ich habe auch erlebt, dass schwule Männer viel dichter an all ihren Gefühlen dran sind. Und es ist ja nicht so, dass heterosexuelle Männer zärtliche Gefühle nicht hätten, sie können es ja, mit ihrer Freundin, Partnerin - körperliche Nähe ist ein menschliches Bedürfnis!
Ankuscheln, menschliche Wärme tanken. Alle Menschen können das und brauchen das. Es ist da, von Anfang an, es wird den Jungs nur irgendwann aberzogen.
Und später ist da offenbar immer diese Angst, als schwul, nicht-männlich zu gelten. Frauen können anderen Frauen doch auch liebevoll begegnen und sind dann nicht gleich lesbisch. Männer und Frauen können es auch und sind nicht gleich ein Paar. Um ein ganzer Mensch zu sein, kann es doch nicht richtig sein, einen großen Teil seiner Gefühle zu unterdrücken! Ein ganzer Mensch hat alle Gefühle und man(n) sollte sich größer, meinetwegen männlicher, fühlen, wenn man(n) auch selbstbewusst mit allen Gefühlen umgehen kann. Und tief im Inneren weiß jede/r, dass es furchtbar ungesund ist, Gefühle zu unterdrücken.
Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn wir alle wieder enger zusammenrücken, eine Einheit werden, Wärme geben, Freundlichkeit austauschen und auch unter Freunden liebevolle Gefühle zulassen können.
Und dann wird es auch wieder netter, am Kitespot.