Achtung, Triggerwarnung - es geht um das Leben, aber auch den Tod !

in Steem Germany8 days ago

Einmal Hölle, Himmel und zurück – Erinnerungen an Holgers Wiedergeburt

Für all diejenigen, die nicht gerne lesen, habe ich diese autobiografische Kurzgeschichte auch vertont:
https://soundcloud.com/holger-jacob-233410812/einmal-holle-himmel-und-zuruck-erinnerungen-an-holgers-wiedergeburt

Die Geschehnisse liegen jetzt genau 9 Jahre zurück. Neun Jahre, in denen ich weiterleben durfte. Auch wenn es viele Höhen und Tiefen gab, bin ich unendlich dankbar für diese geschenkte Zeit. Obwohl ich diese Geschichte bereits vor fünf Jahren veröffentlicht habe, möchte ich sie heute noch einmal mit euch teilen.
Diese autobiografische Geschichte hatte ich vor 9 Jahren während meines Krankenhausaufenthaltes in Berlin niedergeschrieben
Heute ist der zweite Tag, an dem ich wieder halbwegs klar denken kann, da die Dosierung der Schmerz- und Beruhigungsmittel verringert wurde. Um nicht alles zu vergessen, was ich in den letzten Wochen durchgemacht habe, schreibe ich das Erlebte auf.

In den vergangenen Monaten dachte ich immer, ich hätte dieses oder jenes Wehwehchen, begleitet von verschiedenen Symptomen. Im August wurde ich in einer Klinik in Griechenland oberflächlich untersucht. Nach der Diagnose „Nierenbeckenentzündung“ bekam ich eine hohe Dosis Antibiotika verschrieben. Doch wie sich später herausstellte, lag mein Unwohlsein und meine Schmerzen daran, dass sich eine Sonde meines implantierten CRT-D ein 3-Kammer-Schrittmachers durch Bakterien infiziert hatte. Höchstwahrscheinlich kam die Infektion vom Wasser in Griechenland, das ich nicht einmal getrunken, sondern nur zum Duschen verwendet hatte.

Hier nun meine Odyssee der letzten Wochen, soweit es meine Erinnerung zulässt. Da ich einige Tage komplett ruhig gestellt wurde und auch einige Zeit auf der Intensivstation verbrachte, kann ich nicht mehr alles genau rekonstruieren. Der zeitliche Ablauf mag daher etwas abweichen.

Alles begann Mitte November 2016, als ich nicht mehr pinkeln konnte und einen starken Reizhusten hatte – dazu kam Fieber bis zu 40 °C. Also ab ins Krankenhaus und in die Notaufnahme. Dort wurden wir sofort aufgenommen, es wurde Blut abgenommen und die üblichen Fragen zu meinem Gesundheitszustand gestellt. Danach passierte etwa drei Stunden lang nichts, bis eine Röntgenaufnahme des Thorax (Brustkorb) gemacht wurde und ich zu einem Gespräch mit dem Assistenzarzt gebeten wurde. Er erklärte, ich hätte eine Nierenbeckenentzündung, und wollte mir einen Katheter in die Harnröhre legen, um das Wasserlassen zu ermöglichen. Er versuchte, sage und schreibe 30 Minuten lang, den Katheter durch die Harnröhre bis zur Blase zu schieben – vergeblich. Die Schmerzen, die ich dabei ertragen musste, kann sich jeder vorstellen. Da das Setzen des Katheters durch die Harnröhre nicht gelang, wurde mir kurzerhand ein Katheter durch die Bauchdecke in die Blase gelegt. Dieser wurde jedoch nicht richtig befestigt (normalerweise wird er festgenäht), sodass er sich in der Nacht von selbst wieder aus der Blase löste. Dann erhielt ich ein Entlassungsschreiben, in dem fälschlicherweise stand, ich hätte eine Niereninsuffizienz in der Vorgeschichte, obwohl es eine Herzinsuffizienz war. Diese falsche Diagnose steht nun in allen meinen Krankenakten, sowohl in den Krankenhäusern als auch bei meinem Hausarzt.

image.png

Wieder zu Hause nahm ich die verschriebenen Medikamente, Antibiotika und Hustenmittel. Am nächsten Tag suchte ich, wie mit dem Krankenhausarzt abgesprochen, einen Urologen auf. Dieser untersuchte mich und vereinbarte einen Termin für vier Tage später, um meine Harnröhre zu röntgen. Er meinte, akut sei es nicht mehr nötig, da ich ja den Katheter in der Bauchdecke hätte und so Wasser lassen könne.

Zurück zu Hause legte ich mich sofort ins Bett, denn es ging mir wirklich schlecht. Dann begannen die Schüttelfrostanfälle in extremer Form, die jeweils 10 bis 15 Minuten anhielten. Zwei Tage lang hielt ich durch, in der Hoffnung, dass die Medikamente bald wirken würden. Doch gegen 22 Uhr bekam ich einen Schüttelfrostanfall mit Atemnot, und ich dachte, mein Ende sei gekommen. Ein Rettungswagen wurde gerufen, und als die Sanitäter eintrafen, war der Anfall bereits am Abklingen. Ich wurde in die Notaufnahme gebracht, wo ich erneut untersucht und stationär aufgenommen wurde. Man legte mich in ein Dreibettzimmer und verabreichte mir ein starkes Schlafmittel, sodass ich sofort einschlief. Als ich aufwachte, ging es mir noch schlechter als zuvor. Mehrmals wurde Blut abgenommen und untersucht. Schließlich wurde ein spezieller Bakterienstamm im Blut gefunden, doch niemand konnte sagen, woher er kam. Ich bekam täglich über 20 Infusionen mit verschiedenen Antibiotika, in der Hoffnung, dass eines davon anschlagen würde. Ich hatte weiterhin zwei bis drei schlimme Schüttelfrostanfälle pro Tag, die mich zum Heulen brachten. Das Pflegepersonal gab mir anfangs keine Medikamente, sondern hielt nur meine Hand und redete auf mich ein. Erst als ich ein Tablett mit Geschirr in Richtung Tür warf, bekam ich starke Psychopharmaka, und von den Anfällen bekam ich nichts mehr mit. Jedes Mal, wenn ich spürte, dass ein Anfall nahte, erhielt ich nun die entsprechende Tablette und konnte die Anfälle ohne extremes Zittern und Kältegefühl überstehen. Mein Fieber stieg langsam auf über 40°C, und insgesamt ging es mir stündlich schlechter.

Dann kam der Himmel: Um mich vollständig ruhigzustellen und mir die Schmerzen und die Angst zu nehmen, bekam ich etwas, das mich in eine andere Welt katapultierte. Ich war in einem anderen Universum, wo es mir richtig gut ging. Das Erlebte dort war so real, dass ich sogar feste Erinnerungen daran habe. Es kam mir vor, als hätte ich dort mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre, verbracht – und nicht nur knapp drei Tage.

Eine Sache muss ich noch erwähnen: In meinem Krankenzimmer lag ein etwa 30-jähriger Patient, der an Aids erkrankt war. Am zweiten Tag, den ich dort verbrachte, kam ein Mann herein. Später erfuhr ich, dass es ein Seelsorger war. Er unterhielt sich mit dem Aidskranken und sagte plötzlich, dieser könne in zwei Tagen die Klinik verlassen und solle sich, da Weihnachten vor der Tür stehe, noch eine schöne Woche mit Freunden und Familie machen. Danach solle er in ein Hospiz gehen, wo man ihn in seinen letzten Tagen begleiten und dafür sorgen würde, dass er so schmerzfrei wie möglich sei. Der Patient war wie vor den Kopf geschlagen, denn der Seelsorger kam nicht gemeinsam mit einem Arzt, sondern allein. Und er schien nicht zu wissen, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hatte, da er darüber von den Ärzten bisher nicht unterrichtet wurde. Der Mann war natürlich vollkommen fertig und wurde sofort in ein Einzelzimmer verlegt. Es ist schon schlimm, dass solche Angelegenheiten im Beisein anderer Patienten besprochen werden, die alles mitbekommen.

Da es mir auch immer schlechter ging, sollte ich auf ein anderes Zimmer verlegt werden. Dabei bekam ein Pfleger meinen Schrittmacherausweis in die Hand und fragte den anwesenden Arzt, ob bekannt sei, dass ich einen Herzschrittmacher habe. Dieser schaute verdutzt und sagte, ihm sei nichts bekannt. Dabei wurden in der Notaufnahme alle Daten aufgenommen und sogar eine Kopie meines Schrittmacherausweises angefertigt. Nun wurde ich schnell in die kardiologische Abteilung gebracht, und es wurde ein Schluckecho gemacht. Ich musste einen Schlauch – von der Dicke eines Gartenschlauchs – schlucken, an dem Messinstrumente angebracht waren. Innerhalb weniger Minuten war klar, dass eine der drei Sonden, die an meinem Schrittmacher angeschlossen und in der Herzwand verankert waren, mit Bakterien infiziert war. Es wurde Rücksprache mit dem Herzzentrum in Berlin gehalten, und ich wurde noch am selben Abend dorthin überführt. Als der nächste Spezial-OP-Saal für Herzoperationen frei war, wurde eine Not-OP durchgeführt. Während des Eingriffs hörte mein Herz über acht Minuten lang auf zu schlagen – ich war tot, wurde aber glücklicherweise auf den letzten Drücker wiederbelebt. Beim Entfernen der infizierten Sonde löste sich ein Stück des infektiösen Materials und verlagerte sich in die Lunge. Nun hatte ich zusätzlich eine Lungenembolie. Das einzige Gute war, dass die drei Sonden durch die Herzvenen entfernt werden konnten. Es hätte auch passieren können, dass sie von außen durch den Brustkorb operativ entfernt werden müssten.

Die Hölle: Nach der OP kam ich für einige Tage auf die Intensivstation, wo ich die schlimmsten Erlebnisse meines Lebens hatte, die ich bis heute nicht verarbeitet habe. Ich musste mich schon oft mit dem Tod und Leid auseinandersetzen, aber was ich dort bei klarem Verstand erlebte, werde ich wohl bis ans Ende meiner Tage nicht vergessen können. Nach einigen Stunden war ich auf der Station bei mehr oder weniger vollem Bewusstsein und bekam alles mit, was um mich herum geschah. Ich sah, wie schwerverletzte Unfallopfer gebracht und stundenlang um ihr Leben gekämpft wurde. Zwei Patienten starben unmittelbar neben mir, und ich bekam alles mit: von den Wiederbelebungsversuchen bis zum Eintreffen der Angehörigen, die verzweifelt zusammenbrachen. Gegenüber von mir lag ein älterer Mann, der ununterbrochen im Minutentakt laut nach einer „Waltraud“ rief. Wie mir die Krankenschwester erklärte, war das seine Frau, die bereits vor einiger Zeit verstorben war. Sie sagte, der Mann habe niemanden mehr, der sich um ihn kümmere oder ihn besuche.

Es gibt meiner Meinung nach nichts Schlimmeres, als allein alt zu werden. Wenn man niemanden hat, der einen tröstet, Beistand leistet oder im Notfall pflegt, ist das eine schreckliche Vorstellung. Da wäre mir sogar eine Zweckgemeinschaft lieber, bei der jeder weiß, woran er ist.

Ich möchte, wenn ich meine letzten Atemzüge mache, dass jemand meine Hand hält und mir – fest daran glaubend – ins Ohr flüstert, dass alles gut ist und wir uns ganz sicher wiedersehen werden.

Als ich von der Intensivstation auf die normale Krankenstation verlegt wurde, lag ich noch drei Wochen dort und bekam täglich bis zu 20 Antibiotikainfusionen. Langsam starben die Bakterien in meinem Blut ab, und nach drei Wochen waren sie nicht mehr nachweisbar. Da sich das infektiöse Material von der Sonde gelöst und in die Lunge verlagert hatte und ich eine Lungenembolie bekam, litt ich tagelang unter schlimmen Hustenanfällen. Die ersten vier bis fünf Tage lag ich fast ausschließlich im Bett und ließ mich umsorgen. Eine gute Meditation half mir, die Schmerzen, Hustenanfälle und Schüttelfrostattacken zu überstehen. Das Personal auf der Krankenstation des war einfach großartig. Man stellte einen Schwingsessel aus einem Privatzimmer neben mein Bett, und ab und zu kam jemand vorbei, um ein längeres Gespräch zu führen. Ich war schon in vielen Kliniken, aber der Umgang mit Patienten dort ist einfach herausragend – egal, ob Kassen- oder Privatpatient. Normalerweise bleiben die Patienten dort nur zwei bis drei Tage, wenn eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt wird. Der Chefarzt sorgte dafür, dass ich auf dieser Station insgesamt sechs Wochen bleiben konnte, obwohl ich eigentlich hätte verlegt werden sollen.

Diese Vorkommnisse sind auch ein Grund, warum ich fest daran glaube, dass es so etwas wie Karma gibt – dass es sich lohnt, Gutes zu tun. Ich denke, wenn man Gutes tut, kehrt es eines Tages auch zu einem zurück. Und ja, wenn man sich eine gewisse Anzahl an „Karma-Punkten“ angesammelt hat, dann ist es wie in diesem Fall: Ich konnte ein solches Ereignis überleben, obwohl alle Vorzeichen sehr schlecht standen. Es ist ein kleines Wunder, dass ich letztlich die richtige Diagnose erhalten habe und den Eingriff überlebt habe – trotz der Tatsache, dass sich das infektiöse Material von der Sonde gelöst hat, ich eine Lungenembolie bekam und sogar wiederbelebt werden musste.

Dieses Ereignis hat mein Leben sehr geprägt. Es hat mir einmal mehr deutlich gemacht, dass Geld im Grunde bedeutungslos ist. Das Einzige, was wirklich zählt, ist der Zusammenhalt in der Familie oder auch in dem Umfeld, in dem man sich bewegt. Es ist nicht nur erfüllend, anderen Menschen eine helfende Hand zu reichen und sie zu unterstützen, sich sozial zu engagieren und einzubringen – ich bin selbst das beste Beispiel dafür, dass es, wie ich fest glaube, so etwas wie Karma gibt. Und dass man diese angesammelten „Punkte“ eines Tages auch vom Universum eingelöst bekommt.

Wer meine Krankengeschichte verfolgt, weiß, wie es hoch und runter geht – und weiß auch, dass ich in den letzten zwei, drei Jahren trotz meines kaputten Herzens und meiner angeschlagenen Gesundheit ein unglaubliches Hoch erleben durfte. Ich habe noch einmal ein paar wundervolle Jahre geschenkt bekommen, die mir gezeigt haben, was wirklich zählt. All das wäre mit Geld niemals zu kaufen gewesen.
Also, ich weiß, es klingt ziemlich abgedroschen, aber: Tu Gutes, und dir wird Gutes widerfahren.

Sort:  

Выздоравливайте скорее! Вы абсолютно правы, деньги не стоят ничего. Делай добро и оно к тебе вернется! Очень надеюсь, что врачи найдут способы вылечить вас.