Rendezvous mit dem Insekt des Jahres 2020

in Fascinating Insects5 years ago (edited)

"Was bist du denn für ein Kaventsmann?", dachte ich, als ich bei meinem gestrigen Ausflug in den Wald auf diesen etwa 4-5 cm langen Käfer traf. Ich beobachtete das Prachtexemplar ein wenig, lichtete es ab, fasste es aber zwecks Darstellung von Größenverhältnissen nicht an, weil ich das Tier nicht unnötig beunruhigen wollte. Und das war gut so, wie sich nach einem zur raschen Artbestimmung geeigneten Blick in Pareys Buch der Insekten und anschließender Internetrecherche herausstellte, denn der Schwarzblaue Ölkäfer, auch Maiwurm genannt, sondert ein giftiges, stinkendes Sekret ab, wenn er Gefahr wittert.

Schwarzblauer Ölkäfer (Meloe proscarabaeus)

Der in Mitteleuropa vor allem auf Wiesen und am Waldrand vorkommende Schwarze Maiwurm wird wegen des Verlusts seines Lebensraums und der Bedrohung seiner Existenz durch den Straßenverkehr, trotz seiner enormen Vermehrungskraft mit 3000-9500 Eiern pro Weibchen innerhalb von zwei Wochen, in Deutschland seit Jahren auf der Roten Liste als "gefährdet" eingestuft. Jüngst wurde der Käfer vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) wie auch in Österreich und der Schweiz zum Insekt des Jahres 2020 gekürt. Ich bin also sozusagen auf einen Prominenten gestoßen, dessen Habitus äußerst interessant ist.

Meloe proscarabaeus legt wie gesagt eine beachtliche Menge an Eiern im lockeren, gern sandigen Boden ab, im Frühjahr schlüpfen dann seine Larven. Diese klettern auf Blüten und warten dort auf bestimmte Wildbienen, um von ihnen in deren Nester transportiert zu werden. Im Bienennest ernähren sich die Larven des Maiwurms von Gelege, Bienenlarven und Pollenvorrat der solitären Wildbienen.

Der ausgewachsene, flugunfähige Ölkäfer, der sich von Blättern (angeblich am liebsten Blattsalat, was ihm den Ruf als landwirtschaftlicher "Schädling" einbrachte) und saftigen Gräsern ernährt, ist in der Größe sehr variabel, von 1-5 cm sei jede Körperlänge vertreten.
"Der Chitin-Panzer glänzt am gesamten Körper schwarzblau, dieser ist länglich gebaut, trotzdem nicht schlank, sondern eher gedrungen. Der Kopf und der Halsschild sind grob punktiert und glänzen in den Zwischenräumen der Punkte. Die fein granulierten Flügeldecken sind über dem aufgetriebenen Hinterleib stark verkürzt, überdecken sich basal ein wenig (bei Käfern ungewöhnlich!) und klaffen an den Enden auseinander, so dass ein großer Teil des Abdomens frei sichtbar ist. Sowohl die Beine als auch die fadenförmigen Fühler sind recht lang und kräftig gebaut. Die Fühler der Männchen sind in der Mitte deutlich geknickt."
Wikipedia

Fühlt sich der Proscarabaeus bedroht, scheidet er ein öliges Wehrsekret aus, welches das Reizgift Cantharidin enthält. Dieses körpereigene Gift nutzt der Mensch seit rund 4000 Jahren je nach Dosis als Heilmittel (z.B. zur Einleitung von Wehen), Aphrodisiakum und Mordwerkzeug.
In Honig gekochte Ölkäfer sollen einen ganz vorzüglichen "Liebestrank" zur Steigerung der sexuellen Potenz ergeben. Dieser sollte jedoch mit äußerster Vorsicht genossen werden, da bereits das Cantharidin eines einzigen Käfers tödlich für einen erwachsenen Menschen sein kann. Deshalb wurde das Sekret des Ölkäfers im alten Griechenland für Hinrichtungen genutzt und auch heute noch seien Giftmorde durch Käfergift bekannt.

Da der schwarzblaue Ölkäfer zumindest vom Namen her auf ein verwandtschaftliches Verhältnis zum deutlich gedrungeneren ägyptischen Pillendreher Skarabäus schließen lässt, gehe ich einfach mal davon aus, dass mir die Begegnung und Auseinandersetzung mit dieser beachtens- und schützenswerten Spezies Glück bringt!






Quellen:
  • Chinery, Michael: Pareys Buch der Insekten, Berlin 1993, S. 276
  • Wikipedia
  • NABU
Bilder: @chriddi


09.05.2020






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Faszinierend, allein von der Größe her schon beeindruckend.

Inspiriert geh ich jetzt raus um Ausschau nach Käfern zu halten ;-)

Jo, leider habe ich bezüglich der Größe augenscheinlich nicht ganz korrekt gearbeitet.. Dennoch ein beeindruckendes Kerlchen und der Hintergrund ist ja auch so spannend.
Ich laufe nicht mit der Kamera umher, um Käfer für Steemit zu knipsen, das Fotografieren und Recherchieren geschah aus reiner Neugier. Hat tierisch Spaß gemacht - ich werde es wieder tun... ;-) Dir viel Erfolg!

Danke - ich werde es auch wieder tun ;-)
Das sind so Vorhaben, die bei mir schon länger im Hinterkopf sind, in dem Fall wieder mal Makro-Aufnahmen zu machen. Dann ist wieder dies, dann jenes, weist eh wie das ist. Dein Post war dann die Zündung.

tierisch Spaß gemacht he he, ja kann man so sagen. Bin mal gespannt ob mir auch einmal so ein schwarzblauer Kamerad über den Weg läuft.

Ich komme gleich mal vorbei... 😎

Toller Post! Freut mich, von dir nun auch in "Fascinating Insects" zu lesen (und der 'Ölkäfer' ist wahrlich faszinierend)! :)

Danke, "Chef"! Freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefällt.
Ich habe den Käfer fotografiert, weil er mir bewusst noch nicht unter gekommen ist und ich ihn zu Hause bestimmen wollte. Nach der spannenden Recherche habe ich mir gedacht, dann könne ich das auch aufschreiben und posten. So festigt sich das neu erworbene Wissen ja auch und ich kann Vorträge halten, wenn so ein Bursche mal wieder meinen Weg kreuzt... ;-)
Hat Spaß gemacht, wirst mich bestimmt mal wieder in dieser Community treffen.
LG Chriddi

Mir ist gerade noch diese Textpassage aufgefallen:

Der ausgewachsene, flugunfähige Ölkäfer ... ist in der Größe sehr variabel, von 1-7 cm sei jede Körperlänge vertreten.

Also, auch wenn er wirklich beeindruckend ist, halte ich 7 cm nun doch für des Guten zu viel. Wo hast du das denn gelesen? :)

Erwischt, Adlerauge... ;-)
Ich muss gestehen, bezüglich der Größe nicht ganz exakt gearbeitet zu haben. im Parey stand zu den Ölkäfern allgemein "bis 7 cm", beim Maiwurm stand nur "variabel". Auf Wikipedia gabs als Info 11-35 mm. Das konnte aber nicht hinhauen, da "mein" Käfer definitiv 45-50 mm maß (ich kann 10 cm recht gut mit Daumen und Zeigefinger "schätzen", der Käfer hatte die Hälfte). Also habe ich einfach mal die allgemeine Angabe auch auf dieses schöne Exemplar bezogen. Soll ich's jetzt ändern? 3,5 cm stimmten gestern erwiesenermaßen nicht...

Soll ich's jetzt ändern? 3,5 cm stimmten gestern erwiesenermaßen nicht...

Bist ein freier Mensch - entscheide selbst.
Ich würde "bis zu 5 cm" als akzeptablen Kompromiss ansehen. ;-)

Ich hab's geändert - soll mir ja niemand "Käferlatein" vorwerfen... ;-)

Gemessen von Fühler bis Schwanzspitze. 35 mm x 2 Fühler ergibt 7 cm. War doch nicht schwer, oder? ;-)

;-)

Einen beachtlichen Brocken hast du da erwischt. Die Kommentare zu der Größe des Ölkäfers sind ja auch lustig. Noch ist der Hirschkäfer wohl der mächtigste Käfer in unseren Breiten.

Mir ist vor ein paar Tagen auch ein Käfer wegen seiner Größe (Körper ca. 3 cm) und seiner ausladenden Fühler aufgefallen, siehe Bildmitte. Die Farbe war mehr braun-schwarz. Kommt der aus der gleichen Familie????

Hallo lieber Jochen,
nein, dein Käfer ist kein Ölkäfer, ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um einen Bockkäfer handelt. Für die genauere Bestimmung würde ich lieber den Fachmann @jaki01 zu Rate ziehen. Es gibt in Europa mehrere Hundert Bockkäfer. Ich tippe auf den Mulmbock, das ist jetzt aber eher wie Lotto für Arme. Gibt ja auch immer regionale Unterschiede. So kommt der Hirschkäfer bei uns im Norden gar nicht vor. Im Urlaub habe ich ihn aber schon einmal bewundern dürfen.
Vielen Dank für deinen toll bebilderten Kommentar und somit deinen Beitrag zum Käferlateinkurs... ;-)
Schönen Abend,
LG Chriddi

 4 years ago (edited)

... ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um einen Bockkäfer handelt.

Auf jeden Fall ist das ein Bockkäfer, da hat @chriddi Recht, @jochenpaul!

Allerdings ist es sehr schwierig, auf dieser relativ kleinen Seitenansicht des Käfers irgendwelche Details zu erkennen (wie stark gerunzelt sind z. B. die Flügeldecken? Wie lang die Fühler genau in Relation zum Körper? Wie breit der Halsschild in Relation zu seiner Länge?).
Wo in Deutschland (Bundesland) wurde der Käfer gefunden?

Um den Mulmbock dürfte es sich jedoch schon deshalb nicht handeln, weil der im Mai noch gar nicht fliegt ...

Ich tippe auf den 'Kleinen Eichenbock' (Cerambyx scopolii), da der 'Große Eichenbock (Cerambyx cerdo) in Deutschland sehr selten geworden ist.

Liebe Christiane, vielen Dank für den Hinweis, da weiß ich ungefähr wonach ich schauen muß. Außerdem merkt man, daß einer der anderen Fachmänner bei Steemit fehlt, der Faltermann, der sich mit allem auskennt was fliegt, krabbelt, wovon es sich ernährt und wo es zu Hause ist. Vor Jahren hatten wir in unserem Miniteich einen Gelbrandkäfer. Das war ein toller Bursche. Ich hab zufällig seine Einwanderung mitbekommen, als er mit lautem Gebrumm anflog und zielbewußt im Teich landete. Hier fühlte er sich wohl zwischen Seerose und anderen Wasserflanzen. Die Molche, die immer im Frühjahr ein kurzes Stelldichein geben, mußten auf der Hut sein. Auf jeden Fall Jungtiere. Wenn der Gelbrandkäfer aus dem Wurzelbereich der Teichrose hoch schwamm, sah das aus als wäre es eine kleine Schildkröte. Seine Larven sollen ja auch ziemlich rabiat sein. Der Käfer war leider nur ein paar Wochen zu sehen, und sein Treiben interessant zu beobachten.
Herzliche Grüße Jochen

Jo, der Gelbrandkäfer ist ein ganz schöner Brummer. Wir haben auch welche in Gartenteich - das Ökosystem stimmt. Die Larven sind wahrlich "fies". Dennoch ist auch dieser Käfer samt seinen gefräßigen Brutalo-Nachkömmlingen eine geschützte Art. Natur eben... 😱
Liebe Grüße,
Christiane

Interessant. So einen habe ich noch nie gesehen. Ich garantiere dir aber, dass es weder genug Honig, noch genug schöne Frauen auf der Welt gibt, mir dieses Tierchen schmackhaft zu machen. LG :-)

LOL. Als ich das "Honigrezept" las, dachte ich mir auch, das Tierchen sollte doch lieber leben. Und wenn's dringend sein muss, gibt's ja auch synthetische Mittel... ;-)

Oje wenn das Gift von einem Käfer schon ausreicht, ausreichen kann einen Menschen zu töten...

Gefährliche Käfer!

LG Michael

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!jeenger

Ja, irre, was hier so kreucht und fleucht... Hoffentlich kommt nun niemand auf die Idee, das Tierchen ob seiner "Gefährlichkeit" zu zertreten. Man muss es ja nicht essen... Wie gut, dass die Mutproben früher nur darin bestanden, einen Regenwurm zu schlucken... 😎
LG Chriddi

Hallo Chriddi ich hab leider keinen Senf❗️
Wünsche dir ein schönes Wochenende
VgA 😉

Atego! Du planst doch hoffentlich nicht, zur Sülze eine leckere Honig-Senf-Soße zu kredenzen... 😎
Dir auch einen schönen Sonntag,
LG Chriddi

😁😂👍
VgA

Kaventsmann ist auch der erste Begriff, der mir bei diesem beeindruckenden Anblick sofort durch den Kopf ging.

Sehr schöne Aufnahmen sind das geworden und die Infos zeigen, dass das erste Bauchgefühl meistens das richtige ist und man gut daran tut, solchen Brocken erstmal mit einem gesunden Respekt zu begegnen.

Vielen Dank für deine tolle Rückmeldung.
Respekt habe ich grundsätzlich vor jedem Lebewesen, ob klein oder groß. Der Bursche beißt ja nicht, aber so eine übel riechende Sekretabsonderung auf der Hand wäre schon eklig gewesen. Sowas zukünftig keinesfalls ablecken... ;-)

schönes tier super fotos--lg

Danke :-)
Schönes Wochenende!

Nettes Tierchen :)
!engage 22
!trdo

Ziemlich beeindruckendes Exemplar... :-)

Das ist was die Mädels immer sagen 😎

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Danke :-)