Heilige Bastarde, Kapitel 28

in #deutsch6 years ago

Roy Snyder Heilige Bastarde kürzer.png

"Heilige Bastarde" ist eine High-Fantasy Web Novel und wird Kapitel für Kapitel über das Netz veröffentlicht. Zum Inhalt:

Einstmals wandelte der Gottheld Cherus unter dem Volk der Merowa. Er sang mit ihnen, kämpfte mit ihnen, trank mit ihnen und wie jeder Mensch liebte er. Der menschgewordene Gott hatte viele Frauen und zeugte mehrere Töchter und Söhne. Einer dieser Söhne, Hartried, ist nun König und herrscht über das Reich, das sein göttlicher Vater geschaffen hatte. Doch nicht jedes Gotteskind und nicht jeder Füst ist zufrieden mit seiner Herrschaft. Und während das Reich droht, auseinanderzubrechen, zieht in der Ferne eine neue Gefahr heran. Können die heiligen Bastarde ihr Land retten oder werden sie es in einem Machtkampf zerstören?

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27

Heilige Bastarde, Kapitel 28, Gunlaug

„Der Ring“, sprach Augnar. „Ihr trägt noch immer den Ring am Finger. Wieso nehmt Ihr ihn nicht ab? Vielleicht verformt sich ja das Metall im Feuer? Ihr könntet den wertvollen Ring beschädigen.“

„Was geht Euch der Ring an?“, fragte Hartried mit Groll in der Stimme. Er nahm die Arme herunter und legte die triumphierende Körperhaltung ab. „Ich werde ihn anbehalten, wenn es mir beliebt. Es soll nicht Eure Sorge sein.“

„Tragt Ihr ihn denn nur, weil es Euch gefällt? Wieso löst Ihr ihn denn nicht vom Finger?“, fragte Augnar mit einem Lächeln. „Ich bin gespannt, ob dann nicht etwas passiert. Vielleicht bewirkt der Ring ja mehr, als Ihr zugeben wollt. Die Zwerge sollen ja Ringe schmieden können, welche über so manche wunderbaren Kräfte verfügen, nicht wahr? Ich will einfach nur sehen, was geschieht, wenn Ihr den Ring vom Finger streift.“

Eine unheimliche Stille legte sich über den Platz. Augnar und auch andere Priester grinsten frech den König an, wie er da unbeschadet im Altar stand. Hartrieds Blick bekam durch das flackernde Feuer etwas Dämonisches.

Verdammte Scheiße, dachte sich Gunlaug. Wissen die etwa von dem Ring? Oder ist das nur eine Vermutung?

Gunlaug erhaschte einen vorsichtigen Blick auf Pattmar. Er ließ sich nichts anmerken, sollte er das alles hier geplant haben. Hartried jedenfalls steckte in der Zwickmühle: Sollte er sich weigern, den Ring abzunehmen, dürfte sich jeglicher Verdacht erhärten. Sollte er es jedoch auf sich nehmen, mitten im Feuer den Ring abzunehmen … Hartried war kein Weichling, das wusste Gunlaug. Aber das würde der König nicht durchhalten, keine Sekunde lang. Und die Verbrennungen erst. Er drehte sich zu Hedwinna um. Sie machte sich tatsächlich Sorgen und ihn still anzubeten, doch endlich etwas zu unternehmen.

Gunlaug kniff die Augen zusammen und fasste sich an die Stirn. Der König konnte nicht ewig da stehen. Er überlegte angestrengt. Und trat dann mit bemüht lässigen Schritten zwischen die Priester und den König.

„Ich weiß nicht mehr, wann der König das letzte Mal diesen Ring abgenommen hat. Kann ihn mir ohne ihn gar nicht mehr vorstellen, so verwachsen sind die beiden. Es dürfte ziemlich schwierig werden, ihn vom Finger zu nehmen. Lasst Euch sagen, die Hand des Königs wurde mit der Zeit nicht schlanker … Ihr müsst schon mit ordentlicher Kraft an dem Ring zerren, um ihn über den Knöchel zu ziehen. Oder hat jemand ein Stück Fett hier oben? Wenn nicht, müsst Ihr dem König schon den Finger von der Hand hacken, was eine ganze Menge anderer Probleme mit sich bringt.“

Gunlaug gab sich Mühe, so überzeugend wie nur möglich zu klingen. Aber er selber glaubte seinen eigenen Worten nicht, das unbeschwert gedachte Lächeln hing schief und er konnte in den Gesichtern der Priester ablesen, dass sie sein Täuschungsmanöver ohne Probleme durchschauten.

„Lass es bleiben“, hörte er den König sagen. Etwas Gutes hatte Gunlaugs Überredungsversuch doch noch bewirkt: Der König war vom Feuer heruntergestiegen und hatte sich schnell die Hosen angezogen. Hartried war ebenfalls darauf bedacht gewesen, ein Schwert umzugürten. Wenigstens eine Ablenkung war Gunlaug geglückt. Mit unversehrter Haut stellte er sich neben Gunlaug und legte ihm die Hand auf die Schulter. Leiser sprach er zu seinem Bruder: „Sammle meine Kleider ein. Wir verschwinden.“

„Verstanden.“

Gunlaug machte sich sofort daran, hinter dem Altar Hartrieds Hemd und Mantel zusammenzupacken. Auch die silbern schimmernde Krone lag auf dem Stapel Kleider. Als Gunlaug hinter dem Altar hervortrat, war der König von den Priestern umringt. Sie befassten seinen Körper, begutachteten ihn von oben bis unten. Äußerst anstandslos stellten sie sicher, dass das Feuer ihm auch keinen Schaden zugefügt hatte.

„Lasst endlich von mir ab!“ Hartried versuchte schon nicht mehr, seine Wut zu unterdrücken. Er stieß sie von sich. „Schamloses Priesterpack, zeigt wenigstens etwas Respekt vor dem König der Merowa!“

Die Priester ließen sich davon nicht beirren. Sie griffen nach seinen Armen, wollten sich den König packen.

Das wurde Hartried zu viel, er schlug einem der Priester mitten ins Gesicht. Ein Aufschrei ging durch die Menge.

„Ah!“, rief der Priester aus, dem Hartried gerade noch eine verpasst hatte. „Ein sehr menschlicher Schmerz durch eine gar zu menschliche Faust.“

Unterdessen ließen die Priester nicht von ihm ab. Gunlaug musste zu ihm, ihm beistehen. Sollte die Situation eskalieren, könnte das schlimme Folgen haben.

Da zog Hartried schon sein Schwert. Mit gefletschten Zähnen und flammenden Blick verscheuchte er die Priester. Vorerst, sie nahmen nur ein paar Meter Abstand.

„Zieh das an. Wir müssen weg.“

„Gib mir die Krone“, erwiderte Hartried.

Gunlaug reichte ihm das Schmuckstück. Hartried setzte sie sich etwas schief auf, ohne die Priester aus dem Auge zu lassen.

Der kurze Schrecken war aus ihren aschegrauen Gesichtern verschwunden. Ihre dunklen Körper verschwammen mit der Nacht und ließen sie wie die Geister des Berges wirken. Ohne einzugreifen warteten die Priester, bis Hartried sich vollständig angezogen hatte. Dabei ließ der König nur kurzzeitig das Schwert aus der Hand, Gunlaug hielt es, damit er sich mit Hemd und Mantel ankleiden konnte.

„Es ist genug“, sprach Hartried, zupfte sich den Mantel zurecht und ließ sich sein Schwert von Gunlaug reichen. „Lass uns gehen. Hedwinna! Gartmund! Kommt!“

Die beiden Halbbrüder schickten sich an, den Berg zu verlassen. Da bildeten die Priester vor ihnen einen Wall.

„Der Ring interessiert uns noch immer“, sagte Augnar und trat hervor. „Warum entledigt Ihr Euch nicht dieses schnöden Metalls und haltet einfach den Arm ins Feuer? Ihr könntet alle Zweifel beiseite wischen, indem Ihr einfach nur den Ring auszieht.“

„Ich muss gar nichts tun“, zürnte Hartried. „Ihr solltet …“

Hartried erstarrte. Sein Blick war fest auf Augnar gerichtet, während er einen Schritt nach vorne tat.

„Woher …?“

„Hartried, was ist?“, fragte Gunlaug.

„Ah! Die Krone, habe ich nicht recht?“ Augnar verschränkte die Arme und grinste. „Die von Zwergenhand geschmiedete Krone, welche nicht nur den Blick in die Ferne gewährt, sondern auch den Träger tief in das Innere eines Menschen schauen lässt. Tut Euch keinen Zwang an, ich habe nichts zu verbergen. Alles, was Ihr in mir vorfinden werdet, ist meine Hingabe an das heilige Feuer. Und vielleicht auch, warum -“

Hartried stieß ihm das Schwert in den Leib. Mit einem Ruck löste sich die Klinge aus Augnars Bauch. Der Priester ging auf die Knie und seine Hände an der Wunde verfärbten sich schnell rot.

Scheiße, Hartried! Innerlich schrie er auf. Du hast einen heiligen Mann abgestochen. Nun hat es keinen Zweck mehr, uns hier irgendwie herauszureden.

„Was für ein Frevel“, sagte Augnar immer wieder. „Ein Frevel, ein Frevel, Frevel …“

Ungeachtet der klaffenden Wunde stand Augnar auf und präsentierte den Priestern seine triefend roten Hände. „Ein Frevel!“

„Ein Frevel! Ein Frevel!“ wiederholten die Priester. Sie wurden immer lauter und kamen den beiden Brüdern gefährlich nahe.

Augnar drehte sich zu Hartried. Triumph lag in seinen Augen. Das Blut, das Loch im Bauch, es interessierte ihn nicht.

Dann streckte ihn Hartried vollends nieder. Ein Schlag von oben, die Klinge blieb im Schädel stecken, die Worte verklangen.

Ein Tumult brach aus. Schreie des Entsetzens, Gunlaug glaubte Pattmar Befehle bellen zu hören. Die Priester griffen erneut nach Hartried, nun auch nach Gunlaug. Er sah sich gezwungen, ebenfalls sein Schwert zu ziehen und um sich zu schlagen. Sie waren nur mit ihren rußschwarzen Händen bewaffnet, aber er sah auch ein paar der Opferdolche zwischen ihnen aufblitzen. Die Situation wurde unübersichtlich, Gunlaugs Schwert schnellte einfach nur nach vorne und traf auf ungeschütztes Fleisch. Langsam drängten die Halbbrüder die Priester zurück.

Ein Schrei einer bekannten Frauenstimme. Dann der Schrei eines Jungen.

„Hedwinna!“, entfuhr es Hartried. „Gartmund!“

Der König hieb wie ein Wahnsinniger auf die Priester ein. Einer nach dem anderen fiel getroffen und gellend zu Boden.

Sorge um Hedwinna und Gartmund beflügelten auch Gunlaugs Schwertarm. Er hatte jetzt kaum noch Reue, auf die ungeschützten Leiber der Priester einzuschlagen. Die Klinge sauste und fällte Priester um Priester. Mit den Schultern rempelten die Brüder sich durch die Priesterschar und drangen schließlich durch.

Pattmar und ein paar Männer seines Gefolges hatten Hartrieds Frau und seinen Sohn gefasst. Als sie den ergrimmten König sahen, erschraken sie und ließen augenblicklich von ihnen ab.

„Pattmar! Du Elendiger!“, donnerte Hartried. „Was geht hier vor sich!“

Der Fürst von Bärenschlucht hob abwehrend die Hände. „Ich wollte sie nur schützen! Beinahe wären Eure Gattin und Euer Sohn zu Euch geeilt und hätten sich vielleicht im Handgemenge verletzt! Ihr, ihr … Priesterpack! Hört sofort auf! Wir regeln das wie vernünftige Menschen!“

Gunlaug drehte sich um. Tatsächlich waren die Priester vollkommen still geworden. Viele von ihnen bluteten aus unzähligen Wunden, hier und da fehlte eine Hand. Dennoch standen sie seelenruhig da, als wäre der ganze Wahn wie weggeblasen. Noch nicht einmal eine einzige Klage wegen ihrer Schmerzen war zu hören.

„Nichts gibt es hier zu regeln!“, rief Hartried aus. „Ihr verlasst allesamt den Berg, auf der Stelle! Ich will sehen, wie einer nach dem anderen von hier verschwindet.“

Pattmar, sein Hof und Gefolge rührten sich nicht. Sein Sohn Hermann und dessen Frau Fryda blickten unschlüssig zwischen dem Fürsten und dem König hin und her.

„Als euer aller König, befehle ich es!“

„Kommt“, sprach Pattmar. „Das Ritual ist abgeschlossen. Es wird Zeit, den Berg zu verlassen.“ Nacheinander, mit gesenkten Häuptern, jedoch ohne Widerworte traten sie den Abstieg an.

Unter Tränen liefen Hedwinna und Gartmund zu Hartried. Die Familie nahm sich in den Arm.

„Ist schon gut“, sprach Hartried. „Ist euch nichts geschehen? Haben sie euch etwas getan?“

„Nein, nein“, erwiderte seine Frau. „Uns geht es gut. Und dir? Was ist mit dir?“

„Ihr wisst doch, dass man mir nichts anhaben kann.“

„Und was ist mit ihnen?“, fragte Gunlaug mit der Schwertspitze auf die Priester zeigend. Er merkte gerade erst, wie ihm der Atem schwer ging. Er musste sich öfter im Schwertkampf üben, seine Ausdauer ließ langsam nach.

„Ach“, sprach einer der Priester. „Um uns braucht Ihr Euch keine Gedanken zu machen.“ Sie begannen, einige der Toten vom Boden aufzuheben und trugen sie zu den Altären. „Euer Geheimnis ist bei uns gut aufgehoben. Wenn der König möchte, dass wir uns aus dieser Sache heraushalten, dann werden wir kein Wort darüber verlieren. Wenn das bedeutet, dass wir nicht in die Streitereien von Fürsten und Stämmen verwickelt werden, dann schweigen wir.“

„Wie kann ich euch vertrauen?“, fragte Hartried.

Plötzlich drehten sich alle Priester zu ihnen und schlugen mit der Hand auf ihr Herz. „Beim heiligen Feuer, wir schwören es!“ Dann setzten sie ihre Arbeit fort, sammelten die Toten ein und bereiteten sie darauf vor, verbrannt zu werden.

Vielen Dank fürs Lesen!
Dieser Text erschien zuerst auf Götterdunkel.de

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