Erwiderung zur Erkenntnis

in #deutsch4 months ago

Einen wunderschönen Sonntagnachmittag Euch allen!

Unser Kollege @ty-ty hat vor ein paar Tagen einen sehr lesenswerten Post über die Erkenntnistheorie veröffentlicht. Wenn ihr ihn nicht kennt, solltet ihr mal reinlesen, schließlich lernt man nie aus.
Jedenfalls sind mir ein paar Punkte aufgefallen die mir seltsam vorkamen, deshalb dieser Post.
Hier der Originalpost von @ty-ty: https://steemitdev.com/hive-146118/@ty-ty/und-or-and. Viel Freude beim reinlesen.

Zunächst einmal, ja, es ist absolut richtig, dass wir Filter besitzen. Diese haben ja wie beschrieben sehr triftige Gründe. Alle Eindrücke würden uns nicht nur erschlagen, sie würden uns lebensunfähig machen. Man kann nun einmal nicht die Landschaft genießen und gleichzeitig ein Auto auf der Autobahn lenken. Nun gut man kann, technisch gesehen, sehr wohl. Ein erfolgreiches Leben, gleich in welcher Konstellation, wird damit nicht gelingen. Denn wir können uns bewusst nur auf eine Sache konzentrieren. Multitasking ist ein moderner Mythos.
Soll also der Mensch fähig sein ein Leben zu leben, so gehört dazu notwendigerweise Eindrücke auszublenden.

Hier drängt sich die erste Frage auf. Kann es sein, dass es keinen Wald gibt, nur weil ich einen Filter im Kopf habe? Es wurde gesagt Wald sei ein soziales Konstrukt. Zum Teil stimmt dies auch, insofern es unterschiedliche Worte für das gibt was wir auf Deutsch Wald nennen. Der Wort (!) Wald ist ein Konstrukt.
Hier muss man zwei Dinge bedenken und unterscheiden, das Sein und den Begriff.
Wie in meinem Kommentar bereits erwähnt, geht es hier um etwas ähnliches wie bei der Frage nach den Universalien oder Nominalien. Sein und Begriff bedingen einander. Ich kann nur etwas benennen was physisch da ist. Denn das ist was der Begriff Wald meint, etwas das man BE- greifen, im Sinn von angreifen, kann. Also eben physisch vorhanden ist. Wenn ich von "Hinterscheißleiten" spreche, so ist dies kein Begriff, DASS ist tatsächlich ein Konstrukt. Ich schaffe etwas, dass , physisch, nicht da ist, von constructum = zusammensetzen.

Weiter wird dann darüber gesprochen, dass beispielsweise Farben je eigene Welten schaffen. Was ebenfalls richtig wie unzulänglich ist.
Verschiedene Lebewesen nehmen unterschiedliche Farbspektren wahr. Wie zu Beginn geschrieben , wäre ein Gehirn mit der Fülle an Farben schlichtweg überfordert. Daher macht es absolut Sinn, dass unterschiedliche Lebewesen unterschiedliche Farben erkennen können. Ihre Fähigkeiten sind an ihre jeweiligen Lebensumstände angepasst!
Hier stelle ich die Frage ob eine Fledermaus, ein Maulwurf und ein Mensch, tatsächlich in je anderen "Welten" leben?
Ich behaupte, alle drei leben in der selben Welt, allerdings in drei unterschiedlichen Umgebungen. Ihre Fähigkeiten sind ihren Umgebungen angepasst und dafür ausreichend. Es ergebe gar keinen Sinn warum ein Maulwurf sehen können sollte wie ein Mensch. Oder warum eine Fledermaus nur ein Gehör wie das des Maulwurfs haben sollte. Sie wären wohl kaum lebensfähig als solche, da ihre Fähigkeiten sie in ihrer Umgebung sogar behindern würde.

Solche Aussagen scheinen vom Geist des Konstruktivismus geprägt zu sein. Vereinfacht geht es beim Konstruktivismus um die Behauptung, alle Erkenntnis wäre nur konstruiert. Weswegen die Menschen nicht nur unterschiedliches wahrnehmen, sondern in anderen Welten leben würden bzw. das wir unseren eigenen Augen, wortwörtlich, nicht trauen können.
Was dabei übersehen wird ist, wenn der Konstruktivismus Recht hat, so ist er falsch, da seine Aussage nur ein Konstrukt ist und damit bedeutungslos für mich.
Irrt sich der Konstruktivismus jedoch, so ist er sowieso hinfällig.
Es gibt daher keinen Vernunftgrund solche Positionen anzunehmen. Philosophisch gesehen ist es ja so, dass hier die Welt ausschließlich transzendental wahrgenommen wird. Alle ontologischen Aspekte werden vollkommen ausgeblendet, was stark an Scheuklappen erinnert.
Der genannte Vergleich mit der Mauer hilft bei der Klärung. Für mich ist die Mauer vorhanden, für die Strahlung übrigens auch. Der Unterschied liegt nicht darin das ich und die Strahlung in unterschiedlichen Welten leben, sondern darin, dass die Strahlung etwas kann das mir verwehrt ist. Was auch gut ist. Wie sollte ich auch auf Erden wandeln wenn ich durch sie hindurchsinken würde?
Es ist wie bei Fledermaus und Maulwurf. Sie unterscheiden sich in ihrem Potential, nicht in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Welten.

Ein Beispiel.
Wenn ich meine Flasche, gefüllt mit einer bayrischen Hopfenschorle, vor mich hinstelle, sehe ich sie von vorne. Wenn meine Frau sich hinstellt und von oben auf die Flasche blickt, so sieht sie sie von oben. Wenn unser Sohn mir gegenüber sitzt und auf die Flasche schaut, so sieht er sie von hinten.
Sehen wir das selbe oder nicht?
Die Antwort lautet ja und nein.
Gemäß dem Naiven Realismus sieht jeder etwas anderes. Ich eine Flasche mit Vorderetikett, meine Frau eine Flaschenöffnung und unser Sohn eine Flasche mit Rückseitenetikett. Allerdings sind es nicht drei verschiedene Flaschen, oder Welten, sondern ein und die selbe.

So als Gedankengang. Kann es sein, dass alles Lebendige unterschiedliche Sichtweisen von dem selben hat? Und doch wissen sie instinktiv, dass sie etwas "Ganzes" sehen, obgleich nur einen Teil?

Die Behauptung, Gott als höchstes Abstraktum sei methodisch nicht nachweisbar halte ich für, sagen wir mal, gewagt.
Das Gott existiert kann ich sowohl philosophisch als auch physikalisch beweisen.
Philosophisch durch die Theodizee des Unbewegten Bewegers.
Alles was ist, ist in Bewegung. Dabei ist es so, dass alles was sich bewegt etwas anderes anstößt und so weiter. Da also alles was sich bewegt in Bewegung gesetzt wird, woher kam die erste Bewegung? Dies kann nur Gott sein. Wäre es nämlich Materie so wäre sie in Bewegung gesetzt, was einen Ursprung ausschließt.
Diese Theodizee stammt meines Wissens von Thomas von Aquin aus dem 13. Jahrhundert. Ersetzt man Bewegung durch Energie, so bekommt man den Energieerhaltungssatz. Zufälle gibt es.

Physikalisch ist Gott durch die Thermo- Dynamik bewiesen.
Energie fließt nämlich immer von der hohen Potenz zur niedrigeren, niemals umgekehrt. Deshalb kann es die Makroevolution wie sie die Darwinjünger predigen nicht geben. Denn die Behauptung alles Leben habe sich von unbelebter Materie zu Einzellern bis hin zu mir der ich gerade diesen Text schreibe entwickelt, kann nicht sein. Sie setzt nämlich voraus, dass sich Energie von niedriger Potenz zu höherer Potenz steigern würde, was sie nicht tut! Hier verweise ich auf die alte Frage was zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Auch ohne das oben gesagte zu berücksichtigen gibt es dafür nur eine Lösung, die gleichwohl das oben genannte bestätigt. Das Ei wurde geboren, das Huhn wurde geschaffen.

Alle guten Dinge sind drei, weshalb ich auch noch auf die Urknalltheorie verweisen möchte. Diese, so sie richtig ist, was wahrscheinlich ist, beweist nämlich auch das Gott existiert.
Am Anfang gab es demnach eine Singularität. Das Vorhandensein einer Singularität, ja ihre Entstehung überhaupt, setzt Raum, Zeit und Materie voraus. Weswegen das Universum, aka Schöpfung, nicht aus dem Nichts entstanden sein kann. Denn diese drei bedingen sich gegenseitig ohne deren Bestehen nichts sein kann. Auch können sie nicht "hintereinander" entstanden sein. Ohne Raum und Materie, wo? Ohne Zeit, wann?
Daher ist die Schlussfolgerung, Gott wäre eine Erfindung, falsch!

Zum Abschluss möchte ich kurz auf zwei Punkte hinweisen die mir wichtig sind wenn es um Erkenntnis geht.
Ich möchte auf das Platonische Dreieck und das Erkenntnisproblem hinweisen.

Das platonische Dreieck.
Das platonische Dreieck beschreibt die drei Möglichkeiten die Welt zu beschreiben und wohl auch zu verstehen.
Aus der Sicht des Seins, Ontologie genannt.
Aus der Sicht des Ich, Transzendenz genannt.
Aus der Sicht des Absoluten, Gott genannt.
Wichtig ist dabei, dass die eine nicht besser als die andere ist, nein. Alle drei beschreiben jeweils das selbe, nur aus einem anderen BLICKWINKEL. Auch bedingen die drei sich gegenseitig. Ohne Sein, worüber rede ich? Ohne Ich, wäre ich nicht hier. Ohne Grund, gäbe es nichts.

Das zweite ist das so genannte Erkenntnisproblem.
Dabei geht es um die faszinierende Tatsache, dass der Mensch alles erkennen kann, nur nicht warum er erkennt. Jemand hat dies einmal mit einem Auge verglichen. Ein Auge kann alles sehen und erkennen, nur sich selbst nicht. Der Punkt ist, ich sehe es nicht und bin doch gewahr das es da ist. Was uns ganz klar zeigt, dass uns Grenzen gesetzt sind.

Das erste zeigt, was alles geht.
Das Zweite, schärft das Denken.

Sort:  

Der unbewegte Beweger! Lebt der noch? Ich hatte lange nix von ihm gehört, er meldet sich einfach nicht mehr bei mir. Und nein, ich spotte hiermit keiner Gottheit, sondern der (übrigens aristotelischen - der belesene und gelehrte Aquino nahm es mit Urheberrechten nicht so genau, wie manche von uns sich das heute wünschen, aber nur manche, leider...) Idee, aus Gegebenheiten der Welt über die Welt hinaus sch(l)ießen und dann wieder von dort draußen hinein denken zu wollen in die Welt.

Das funktioniert zwar auch - aber nur, wenn die bekannte Welt wie in der "Matrix" allein als Illusion in den Köpfen existiert. Denn dann gibt es natürlich außerhalb dessen eine wirklich wirkliche Welt, wo die Beweger der Illusionen sitzen und agieren. Es wäre dumm, aber möglich, diese Konstellation auf die Welt und das Sein zu übertragen, also gutes Gelingen und viel Spaß beim Träumen!

Wer indes Lust hat, sich tiefer gehend mit dem Gedanken an Bewegung oder Veränderung und die Voraussetzungen von deren Möglichkeit, mit dem Gedanken an die Kette von Ursache und Wirkung, zu befassen, der wird feststellen, dass er oder sie oder es dabei früher oder später in eine Aporie der Freiheit hinein läuft - gedanklich natürlich nur.