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RE: Verschickungskinder - mehr als nur Einzelschicksale...
So ein Erlebnis wird sicherlich Einfluss auf deine Arbeit haben, einen positiven wie ich finde.
Franz Ruppert schreibt in seinem Buch "Trauma, Angst & Liebe", dass Traumata, sofern sie nicht aufgearbeitet werden, an die nächste Generation weitergegeben werden können.
Das was du beschrieben hast und manche Beispiele aus dem Buch mag ich mir gar nicht vorstellen. Unerträglich. Hast du einen Weg gefunden, das erlebte so zu verarbeiten, dass es dich nicht mehr schädigt?
Das ist eine sehr persönliche Frage. Meinen Beruf erlebe ich als Teil dieser Aufarbeitung, wenn gleich er auch Teil des Verdrängungsprozesses wohl gewesen sein dürfte.
Durch meinen Beruf habe ich gelernt in den Gesichtern der Menschen zu lesen und damit mein Misstrauen gegenüber Dritten abzubauen. Ich bilde mir inzwischen ein, nach all den Jahrzehnten und der Behandlung von zehntausenden Menschen, sehr gut zu wissen, ob vor mir eine gute und achtsame Seele sitzt oder jemand, dem das Leben und das Wohlergehen seines Nächsten total egal ist.
Vermutlich habe ich dadurch mehr über Menschen gelernt, als die Mehrzahl derer, die tagtäglich denselben Weg in der Knechtschaft eines von Unmenschlichkeit geprägten Sozialismus beschreiten und dies als normal empfinden.
Sich den erlittenen Schmerzen zu stellen gelingt unter Tränen. Aus diesen Tränen erwächst schlussendlich eine neue Blume des Lebens - die Freiheit. Der Ausbruch aus der Gefangenschaft - das Streben nach Freiheit ist bei mir tief verwurzelt, wohl auch als Bewältigunugsstrategie des als Kind erlebten. Die bedingungslose Unterwerfung unter die Debilität und mangelnde Achtsamkeit vermeintlicher Autoritäten sind mir fremd.
Das Gefühl der Ohnmacht hingegen stellt sich angesichts der staatlichen Gewalt- und Machtmissbrauches in allen Bereichen der Lebensführung für mich sicherlich früher ein, als für jene, die kein solches Kindheitserlebnis in ihrem Leben hatten.
Heute, weiß ich, dass man nicht in Ohnmacht verharren muss, wenn einem keiner Glauben schenkt. Als vierjähriger hatte ich natürlich keine Ahnung davon.
Insofern habe ich gelernt mit dem Erlebten umzugehen - wenn gleich ich auch heute noch merke, dass das Erlebte mich nicht direkt, aber wohl indirekt mein Leben beschädigt hat und ich dazu neige es nur zu gerne es zu zudecken anstatt es aktiv anzugehen.
Die Prokastination ist sicherlich ein solch schädigendes Verhalten. Aber auch hier zeichnet sich ein Wandel ab.
Es ist ein schrittweiser Prozess zurück zu sich selbst, dieses Zudecken zu beenden und dafür das Leben aufzudecken - ehe wir alle eines Tages ins Licht gehen.
Liebe Grüße.
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