Österreichische Schule für Anleger: Eine Einführung
Liebe Volkswirte, lest dieses Buch!
Bei all der berechtigten Kritik an dem Internet und seinen mitunter sehr zeitfressenden Videoplattformen kommt man um einen Punkt nicht herum: YouTube & Co. dienen immer wieder als Orte, an denen die Produzenten und Filmemacher die Möglichkeit erhalten, einer breiten Zuhörerschaft Informationen zu präsentieren, die das ein oder andere Weltbild unwiderruflich verändern. Persönlich kann ich mich noch gut erinnern, wie ich 2012, bedingt durch die Auftritte Ron Pauls bei den amerikanischen Präsidentschaftsvorwahlen, Dokus wie „97% Owned“ („Zu 97% in fremder Hand“) schaute und mich langsam, aber sicher das Gefühl beschlich, dass es gewisse Fragen zum Geldsystem gab, über die meine VWL-Professoren geflissentlich hinweggegangen waren. Von dieser Erfahrung angestoßen, begann ich nach Antworten zu suchen, traf im Netz auf Gruppen wie „Monetative e.V.“ und gelang schließlich über die Videos des amerikanischen Mises-Instituts zu libertären Fiatgeld-Kritikern wie Hayek, Mises und Rothbard.
Hier noch einmal der Schnelldurchlauf zum ungedeckten Papiergeld: Wenn Banken Kredite vergeben, stellen sie dem Kreditnehmer einen Betrag zur Verfügung, den sie selbst nur zu einem kleinen Teil decken können müssen („Teilreservesystem“). Auf diese Weise erhöhen sie die Geldmenge, erschaffen also Geld „aus dem Nichts“. Im Zuge dieses Prozesses findet ein Wohlstandstransfer von der Real- zur Finanzwirtschaft statt, den Kritiker dieses Systems als Cantillon-Effekt bezeichnen. Dessen Namensgeber, der irische Ökonom Richard Cantillon, erkannte bereits vor gut 250 Jahren, dass in einer solchen Situation der Geldmengenerhöhung all jene reale Wohlstandsgewinne verzeichnen können, die an der Quelle sitzen und das neu geschaffene Geld zuerst in den Händen halten. Diejenigen hingegen, bei denen lediglich die erhöhten Preise ankommen, dürfen sich zu den Verlierern dieses Buchungstricks zählen. Ganz grob lässt sich sagen, dass hierbei die Finanzbranche auf Kosten der restlichen Wirtschaft profitiert, die urbanen auf Kosten der ländlichen Regionen und der Staat auf Kosten der Steuerzahler – Letzteres ist vielleicht nicht direkt ersichtlich, resultiert aber daraus, dass ein ungedecktes Papiergeldsystem die Finanzierungskosten des Staates sinken lässt und dieser seinen Bürgern so leichter einreden kann, dass seine Ausgaben zum Nulltarif zu haben sind (Die inhaltlich und visuell beste Erklärung dieses Vorgangs liefert wohl das Video „The Biggest Scam in the History of Mankind“ von Mike Maloney; einzusehen auf YouTube inkl. deutscher Untertitel).
An dieser Stelle mag man sich die Frage stellen, warum man eigentlich Publikationen wie konterrevolution lesen muss, um das zu erfahren. Wie kann es sein, dass diese Mechanismen weder in der Schule noch der Universität angesprochen werden? Der Grund dafür ist weitaus weniger konspirativ, als man vielleicht eingangs vermuten mag, und liegt schlicht und einfach in den Anreizstrukturen jener Akteure verborgen, die diesbezüglich die Lehrinhalte bestimmen. Basierend auf dem Versuch, die Volkswirtschaftslehre auf eine Stufe mit den empirischen Naturwissenschaften zu heben, wurde das Fach in einem hohen Maße mathematisiert, wodurch diese Herangehensweise nun zur Karrierebasis all jener geworden ist, die diesen beruflichen Weg eingeschlagen haben. Würde man sich nun der oben ausgeführten Kritik an unserem Geldsystem öffnen, würde man unweigerlich der österreichischen Schule der Nationalökonomie eine Bühne bereiten – Jener Schule also, die den mathematischen Ansatz komplett verwirft und der man sich nicht zuwenden könnte, ohne gleichzeitig große Umstrukturierungen im eigenen Lehrbereich (d.h. eine geringere Nachfrage nach Ökonomen) in Kauf zu nehmen. Wie sagte der Schriftsteller Upton Sinclair noch so schön: „Es ist schwierig, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn er sein Gehalt dafür bekommt, dass er es nicht versteht.“
Wenn man nun als junger Mensch, der VWL oder auch BWL studiert, nun auf diese Dinge aufmerksam wird, kommt man sich zweifelsohne ziemlich veräppelt vor. Wie soll man fortan Fächern wie Makroökonomik begegnen, wenn man in ihnen nicht länger anspruchsvollen Uni-Stoff sieht, sondern sie als Anzeichen dafür betrachtet, dass das Fach der VWL sich in einer Sackgasse befindet? Sollte man sein Studium wechseln? Oder gar alles hinwerfen? Abhilfe bei derartigen Fragen kann das Buch „Österreichische Schule für Anleger“ von Rahim Taghizadegan, Ronald Stöferle und Mark Valek liefern, das ich im Folgenden kurz rezensieren möchte und das in der Lage ist, enttäuschten Studenten Wege aufzuzeigen, die sie trotz der Verirrungen der Hauptstrom-VWL in diesem Berufsfeld gehen können.
Bereits auf den ersten Seiten wird darin die Rolle, welche der Österreichischen Schule heute zukommt, herrlich pointiert zusammengefasst: „Die Wiener Schule ist nämlich völlig unbrauchbar für ‘Systemtrottel’ – so nennen wir jene, die der Mehrheitsmeinung und den Sachzwängen der Gegenwart hinterhertrotten. Das ist auch der Grund, warum sie heute so wenig bekannt ist. Ihre Einsichten sind in jeder Hinsicht unbequem.“ Nachdem dieser Pflock eingerammt wurde, machen sich die Autoren daran, die wahren Gründe unseres westlichen Wohlstands auszuleuchten und mit jenen Entwicklungen zu kontrastieren, auf denen unsere heutige „Wohlstandsillusion“ fußt. Taghizadegan, Stöferle und Valek führen den Leser gekonnt durch die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte, widmen sich den modernen Mythen zum Kapitalismus, welche bemerkenswert oft auf einer Unkenntnis unseres Fiat-Geldsystems basieren, behandeln die verzerrte Kapitalstruktur unserer Finanzmärkte und bestechen bei alledem durch eine Sprache, die diese Zusammenhänge mit ihrer Klarheit selbst Nicht-Ökonomen verständlich macht.
Natürlich darf bei alledem eine Einführung in das Wesen des Geldes nicht fehlen. Die Autoren stellen unter Bezugnahme auf Carl Menger klar, dass es sich dabei nicht um eine staatliche Schöpfung, sondern vielmehr ein „Socialgebilde“ handelt, also ein Symptom dessen, was die Menschen in einer bestimmten Gesellschaft als tauschbares, unzerstörbares, homogenes und handliches Tauschmittel erachten. Dem gegenüber stellen sie die „Währung“, die diese Anforderungen nicht erfüllt und bezüglich derer ein weiteres mal Carl Menger zu Wort kommt: „Eine Währung beruht auf Vertrauen in Staat und Banken und verliert bei Vertrauensverlust ihren Wert.“
Es folgen Ausführungen zur „monetären Tektonik“, welche die je nachdem konkurrierenden oder komplementären Kräfte der Geschäfts- und Zentralbanken abbildet, sowie der Konjunkturzyklen, welche im Anschluss an jene genannten Marktinterventionen zu erwarten sind. Es wird auf die Szenarien Hyperinflation und Hyperdeflation eingegangen, die Möglichkeit staatlicher Zwangsabgaben im Zuge einer Krise wird behandelt und selbst die Frage, ob der IWF sich mitsamt seiner Sonderziehungsrechte anschickt, eine Weltwährung zu installieren, wird diskutiert – Das alles ohne Hysterie, ohne Dogmatik und mit einem interdisziplinären Fachverständnis, auf das viele studierte Volkswirte wohl nur mit einer großen Portion Neid schauen können. Geschlossen wird mit der österreichischen Anlagephilosophie einerseits und der dazugehörigen Praxis andererseits, was die Gedanken der Wiener Schule kompakt und eloquent von der Theorie in den Alltag des Geldanlegens überträgt.
Was auffällt, nachdem man die Lektüre beendet hat, ist, wie wenige Fragen letztlich unbeantwortet bleiben. Die drei Autoren haben es mit dem vorliegenden Buch nicht nur geschafft, die österreichischen Erkenntnisse in den Bereich der Praxis zu übersetzen, sondern räumen die Mythen der VWL ebenso ab wie irrationale Kritik an der freien Marktwirtschaft. Sie weisen den Weg aus dem Dickicht, in dem wir uns am Ende des Papiergeldzeitalters wiederfinden, und demonstrieren jungen Ökonomen, dass es neben der Interventionismusapologie auch andere Pfade gibt, die sich beschreiten lassen.
Lassen sich auf der Basis dieses Wissens nun Millionen verdienen? Nein. Ein solches Versprechen würde weder zur Österreichischen Schule passen, noch war es das Ziel der Autoren, solche Reichtümer in Aussicht zu stellen. Vielmehr gehe es darum Leser und Anleger „nüchterner, standhafter, verantwortungsvoller“ zu machen. Und genau das darf man sich von dem Werk auch erhoffen – Ob man nun von einem reinen Interesse an der Ökonomie getrieben ist, nach einer guten Art sucht, sein Geld anzulegen, oder einfach nur ein VWL-Student ist, der es versäumt hat, sich um einen Semesterjob zu kümmern und nun über die Zeit verfügt, das ein oder andere aus dem Hörsaal zu hinterfragen.
Beitragsbild: pexels.com, gemeinfrei
Dieser Gastbeitrag stammt aus der Feder von Lukas Abelmann, Student der Betriebswirtschaftslehre.
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