Ich stimme bezüglich der meisten der von dir genannten Problempunkte Deutschlands (z. B. hinsichtlich Bürokratie, Steuerrecht, DSGVO, ...) zu, aber wäre es nicht langweilig, uns hier nur zu treffen, um zu nicken und uns zufrieden gegenseitig auf die Schultern zu klopfen?
Deshalb picke ich mir mal ausgerechnet den einzigen Aspekt heraus, den ich anders umschreiben/bewerten würde:
... die Energiewende wurde überstürzt, lückenhaft in der Konzeption und mit hoher ökonomischer Belastung für die Verbraucher umgesetzt, ...
Sie wurde sicherlich nicht wirklich durchdacht (und m. E. auch nicht aus Überzeugung) durchgeführt. "Überstürzt" klingt aber so, als wäre alles zu schnell gegangen. Meiner Meinung nach geht es zu langsam vonstatten. Von Schnelligkeit kann keine Rede sein:
- Der Atomausstieg wurde bereits 2001 von SPD und Grünen beschlossen, also frühzeitig mit genug Raum, um bis 2020 (oder etwas länger) zu planen. Hektik entstand erst dadurch, dass CDU und FDP ihn 2010 wieder rückgängig machten, und er dann erneut unter dem Eindruck des Unglücks von Fukushima beschlossen wurde.
- Warum haben nur asiatische Hersteller (z. B. BYD) kein Cobalt enthaltende Akkus im Programm, während deutsche Autohersteller noch nicht einmal über eigene Batteriefertigungsstätten verfügen?
- Was ist mit der Stromspeichertechnolgie (ohne die Möglichkeit, Strom in größeren Mengen zu speichern, sind die vielen PV-Anlagen nur die Hälfte wert)? Wir haben zwar zu Hause eine PV-Anlage auf dem Dach und seit einiger Zeit auch endlich einen Stromspeicher von "sonnen", aber wenn man sich die Technologie genauer ansieht, wird deutlich, dass die Kernkomponenten des Speichers, die LiFePO4-Akkus, letztlich von Sony stammen.
- Solarmodule selbst stammen mittlerweile zum größten Teil aus China. Statt Schutzzölle genau in dem Moment einzuführen, in dem so gut wie alle deutschen Hersteller ohnehin Pleite gegangen waren, hätte man, statt durch diese Maßnahme Solaranlagen zu verteueren, an die deutschen Wechselrichterhersteller und Anlageninstallateure denken sollen, die von dieser Maßnahme letztlich am stärksten betroffen waren.
- In der Wasserstofftechnologie dominieren Hersteller wie Toyota oder Hyundai.
Das liegt m. E. nicht (nur) daran, dass deutsche Autohersteller zu 'dumm' gewesen wären, sondern auch an fehlender Weichenstellung (z. B. Anreizsetzung) seitens der Politik. - Der Ausbau der Stromtrassen geht (unter anderem auch der langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland wegen) schleppend voran.
- Deutsche Kohlekraftwerke gehören zu den schmutzigsten in Europa ...
Usw.
Mir geht das - unabhängig von der schlechten Planung - deutlich zu langsam. Klar, man muss nicht für die Energiewende sein ... aber wenn man sich dafür entscheidet, sollte sie auch konsequent
und effektiv durchgeführt werden, dann ist es fahrlässig, z. B. den Ausbau des Stromnetzes zu verzögern. Der ist richtig teuer, ja, aber Erdöl aus dem Nahen Osten zu importieren, damit hier noch vielleicht 50 Jahre auf fossile Brennstoffe angewiesene Fahrzeuge rollen können, ist es auch und macht uns überdies abhängig ...
Stattdessen moniert er, dass die CDU bei der Umsetzung der selbstgewählten grün-roten Agenda nicht konsequent und rasch genug voranschreitet!
Im politischen Wettbewerb bevorzugt der Wähler meist das Original gegenüber der Kopie.
Deshalb könnte ich wohl niemals ein erfolgreicher Politiker sein. Ich würde stets genau das vertreten, was ich für richtig hielte, unabhängig davon, wer das auch täte. Wäre ich also CDU-Politiker und fände eine Idee der Grünen so richtig gut (oder umgekehrt), würde ich das genau so sagen und vertreten, egal ob ich 'Original' oder nur 'Nachahmer' wäre. Es ginge mir um die (in meinen Augen) beste Lösung für das Land, nicht (in erster Linie) um das Wohl (m)einer Partei.
Vielen Dank für diese ausführliche und sehr bedenkenswerte Ergänzung meines Artikels! Unsere Meinungen unterscheiden sich in diesem von dir besprochenen Punkt (Energiewende) kaum. Die Zölle auf PV-Module sind auch ein Grund, warum die Kosten höher sind als sie sein müssten (Zölle wandern nämlich in Töpfe der EU!).
Trotzdem ist das Projekt "Energiewende" m.E. nicht sauber durchgeplant, weil Abschalttermine für Kraftwerke festgesetzt wurden, ohne über eine Gewissheit über die zukünftige Netzstabilität zu haben.
Siehe:
Es ist natürlich die Frage, ob man bei so komplexen, von vielen Parametern beeinflussten Themen wie der Energieversorgung überhaupt Jahrzehnte im Voraus ganz exakt planen kann, oder ob man sich nicht stattdessen (zumindest teilweise) von allgemeinen Überlegungen und Einschätzungen (z. B. auf der, dass fossile Brennstoffe auf jeden Fall - früher oder später - irgendwann zur Neige gehen werden.) leiten lassen sollte?
Atomkraftwerke werden übrigens auch betrieben, ohne dass eine dauerhafte und umweltverträgliche Lösung des Atommüllproblems bereits gefunden, geschweige denn umgesetzt, worden wäre. Auch hier wurden Tatsachen geschaffen, bevor etwas exakt durchgeplant war ... In meinen Augen ist die immerwährende Erzeugung von für Jahrtausende radioaktiv strahlendem Müll eine der größten Umweltsauereien, die wir uns je zu Schulden kommen ließen und immer noch lassen, vor allem auch im Hinblick auf folgende Generationen.
Ich persönlich würde im Zweifelsfall gar immer noch der 'Kohleenergie' gegenüber der 'Atomenergie' den Vorzug geben, wobei ich die Forschung an letzterer nicht einstellen würde, denn dass es interessante Ansätze gibt, bestreite ich nicht.
Dass - unabhängig von der mangelhaften Qualität der Vorausplanung - jedoch spätestens dann ernsthafte Probleme auftreten könnten, wenn man ihr (der eigenen Planung), wie z. B. beim Stromtrassenausbau oder der Entwicklung und Verbreitung leistungsfähiger Stromspeicher, dann auch noch weit hinterherhinkt, würde mich nicht wirklich wundern ... Durch Untätigkeit und Verzögerungstaktik wurde noch kein Problem gelöst.