Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 43v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Die Religion ist für eine Gesellschaft so wichtig, schreibt Rousseau in Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes, dass der Staat bei religiösen Angelegenheiten nicht neutral bleiben kann. Er kann es sich nicht erlauben, eine Politik der Toleranz gegenüber Ungläubigen zu fahren, oder auch nur Religion als eine persönliche Gewissensfrage einstufen. Es ist daher ein absolutes Muss, die gefählichen Implikationen der Aufklärung hinsichtliche der Toleranz und der Trennung von Kirche und Staat abzulehnen. Dazu kommt: Religion ist so fundamental bedeutend, dass es nur eine Strafe für Ungläubige geben kann.

Auch wenn der Staat niemanden zum Glauben zwingen und damit auch niemanden wegen Gottlosigkeit bestafen kann, so kann er aber doch Personen als antisozial bestrafen, die nicht in der Lage sind, die Gesetze und staatliche Gerechtigkeit zu lieben und Opfer zu bringen, wenn es notwendig ist und seine Pflichten zu erfüllen. Wenn diese Dogmen daher erst einmal öffentlich anerkannt sind und eine Person handelt, als würde sie nicht glauben, dann sollte die Todesstrafe ausgesprochen werden.

Eine Gesellschaft, die ordentlich auf den natürlichen Leidenschaften und der Religion basiert wird in der Lage sein, den sich aus der Vernunft ergebenden selbstbezogenen Individualismus zu überwinden, und es dem Einzelnen möglich machen, einen neuen kollektivierten sozialen Organismus zu erschaffen. Wenn Einzelne sich zusammentun und eine Gesellschaft bilden, "dann geben alle beteiligten Parteien ihreindividuellen Besonderheiten auf, um einen neuen moralischen und kollektiven Körper zu erschaffen, der sein eigenes Selbst, sein eigenes Leben, seinen eigenen Körper und Willen hat." Der Wille des Einzelnen gehört diesem dann nicht mehr, sondern wird auf die Allgemeinheit übertragen und von einem Sprecher für das Ganze vertreten. In der moralischen Gesellschaft "verbindet sich der eine [und] dabei bringt jeder seine Person ein und stellt seine gesamte Macht unter die Kontrolle des gesellschaftlichen Führer."

In der neuen Gesellschaft formuliert die Führung den "allgemeinen Willen" und setzt politisch das durch, was für das Große Ganze das beste ist, wodurch es dem Einzelnen möglich wird, seine wahren Interessen zu verfolgen und wahre Freiheit zu erfahren. Die Erfordernisse des "allgemeinen Willens" sind dabei wichtiger als alle anderen Überlegungen, und daher "soll ein Bürger dem Staate alles aushändigen, sobald dieser es fordert."

Doch es gibt da etwas in der menschlichen Natur, das so korrumpiert ist von der Vernunft und vom Individualismus, dass es gegen den allgemeinen Willen Widerstand leistet und immer widerstreiten wird. Der Einzelne empfindet seinen Willen nur selten im Einklang mit dem allgemeinen Willen; entsprechend "wird der Privatmann permanent gegen den allgemeinen Willen ankämpfen." Und um diesen sozial destruktiven individualistischen Tendenzen entgegen zu wirken, soll es dem Staat erlaubt sein, Zwang auszuüben: "Wer immer sich weigert, dem allgemeinen Willen zu gehorchen, der wird mit dem gesamten Körper dazu gezwungen werden; das bedeutet nicht weniger, als dass er dazu gezwungen werden wird, frei zu sein."

Die Macht des allgemeinen Willens über den Willen des Einzelnen ist total. "Der Staat... soll grundsätzlich die freie Gewalt darüber haben, jeden Teil der Gesellschaft so zu bewegen und herzurichten, dass es dem Großen Ganzen am besten passt." Und wenn die Anführer des Staates einem Bürger dann sagen: "'es ist zwingend notwendig für den Staat, dass du stirbst,' dann soll er sterben."

Wir finden bei Rousseau also einen explizit als Gegenaufklärung ausgerichteten Themenkatalog, der die Ideen der Aufklärung von der Vernunft, über die Kunst, Wissenschaft und dessen ethischen und politischen Individualismus und Liberalismus unmittelbar angreift.

Rousseau war ein Zeitgenosse der amerikanischen Revolutionäre der 1770er Jahre und es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen den Lockeschen Themen von Leben, Freiheit und dem Recht auf Glück in der amerikanischen Unabhängigkeitsreklärung und Rousseaus Eid auf den Gesellschaftsvertrag, den er für einen Verfassungsentwurf für Korsika formulierte: "Ich gliedere mich ein - Körper, Eigentum, Wille und all meine Macht - in die korsische Nation und übertrage an sie die vollen Eigentumsrechte an mir, über mich und allem, was von mir abhängt."

Die Lockesche Politik der Aufklärung und Rousseaus Politik der Gegenaufklärung werden zu gegensätzlichen praktischen Anwendungen führen.

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hm... das ist überraschend. Bislang hielt ich Rousseaus allgemeinen Willen (volonte generale) für so etwas wie eine Ableitung des Vernunftsprinzips. Aber scheint nicht so zu sein. Klingt eher wie eine Willkürherrschaft.

Weiß zufällig jemand, ob/inwiefern sich Rousseau über negative kollektive Charaktereigenschaften geäußert hat? Wenn der dem Kollektiv positive - oder allgemein menschliche - Eigenschaften zuschreibt, dann müsste das Kollektiv ja auch negative Eigenschaften annehmen können. Und das wären dann Korruption, Willkür und im Extremfall (5 Jahre nach seinem Tod): La Terreur.

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