Das NanoCar Rennen - Ein Rückblick auf das kleinste Rennen der Welt
Das weltweit erste Rennen von einzelnen Molekülen fand vor einem Jahr am 28. bis 29. April 2017 in Toulouse, Frankreich statt. Dieses Jubliäum möchte ich als Anlass nehmen, um diese Herausforderung nicht nur von der wissenschaflichen Seite zu beleuchten, sondern auch einen Einblick hinter die Kulissen zu gewähren.
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Beim 'NanoCar Race' handelte es sich um ein wissenschaftliches Event auf aktuellem Forschungsniveau. Es war also im Grunde ein groß angelegtes physikalisch-chemisches Experiment. Die Vorbereitungen dafür begannen nicht erst kurz vorher, sondern schon Jahre im Voraus:
1. Die Projektidee
Der Gedanke hinter dem Ganzen war einem Fachbereich der physikalischen Chemie, der sich primär mit Grundlagenforschung beschäftigt und daher nicht nur allgemein wenig bekannt ist, sondern es auch vergleichsweise schwer hat finanzielle Forschungsmittel zu akquirieren, ein breiteres öffentliches Interesse zu verschaffen. Außerdem konnte man zeigen wie weit die Nanotechnologie bereits gekommen ist und es bat sich natürlich an, um den internationalen Diskurs der entsprechenden wissenschaftlichen Gemeinschaft zu stärken. Und schon war dank Christian Joachim (CNRS: French National Center for Scientific Research) die Idee des ersten Nano-Autorennens geboren.
Um einzelne Moleküle kontrolliert bewegen zu können bedarf es mehrerer Voraussetzungen. Eine ist, dass sie sich auf einer atomar glatten Oberfläche befinden müssen. Hier im Bild seht ihr eine solche in Falschfarbe wiedergegebene, atomar glatte Goldoberfläche. Aufgenommen wurde das mit einem Rastertunnelmikroskop in atomarer Auflösung. Dies bedeutet, dass man die einzelnen Goldatome der Oberfläche in ihrer typischen hexagonalen Anordnung sehen kann.
2. Die Planung und Vorbereitung
Nachdem die Idee geboren worden war wurde sie in den entsprechenden wissenschaftlichen Kreisen verbreitet und Forschungsgruppen überall auf der Welt wurden aufgerufen 'Nano-Autos' zu entwickeln, um bei diesem Event teilzunehmen. Bei der Entwicklung der molekularen Flitzer gab es verschiedene Herangehensweisen. Manche Teams versuchten Moleküle zu designen, welche in ihrer prinzipiellen Form und Geometrie den uns bekannten makroskopischen Rennautos ähneln. Andere wiederum präsentierten Moleküle, welche eher die Form von flachen Raumschiffen oder aber einem Segway hatten.
Für das Aussehen der Nano-Autos gab es keine Vorschriften, jedoch mussten alle potentiellen Teams im vorhinein belegen, dass sie ansonsten regelkonform sind und ihr winziges Gefährt auch tatsächlich fährt.
3. Was sind Nano-Autos?
Eine der Kernfragen ist natürlich, was genau als 'Nano-Auto' gilt. Im Rahmen des NanoCar Rennens einigte man sich auf eine recht eindeutige Definition: Als Nano-Auto wurde jede Art von Molekül verstanden, dessen Bewegung hochpräzise gesteuert werden konnte, ohne es zu berühren.
Sobald physikalischer Kontakt für die Bewegung des Moleküls notwendig war, wurde diese Art der Fortbewegung nicht mehr als "Fahren" sondern als "Schieben" oder "Ziehen" verstanden und damit wäre es kein 'Auto' mehr, sondern viel eher eine 'Schubkarre'.
Der 'Dipolar Racer' des österreichisch-texanischen Teams.
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4. Wie man Nano-Autos fährt
Dazu muss ich kurz etwas ausholen. Nicht nur das oben gezeigte Bild einer atomar aufgelösten Goldoberfläche wurde in einem Rastertunnel-mikroskop (engl. Scanning Tunneling Microscope, kurz: STM) aufgenommen, sondern das gesamte Rennen fand innerhalb solcher Mikroskope statt. Hier seht ihr den typischen Aufbau eines STMs:
Komponenten eines Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskops: (A) Kryostat mit flüssigem Stickstoff (äußerer Mantel) und flüssigem Helium (innerer Mantel), (B) UHV-Kammer mit dem STM-Messkopf, (C) Manipulatorbereich zur Probenvorbereitung inklusive Sichtfenster und Massen-spektrometer, (D) elektronische Steuereinheit, (E) Kontrollturm für Druck, Temperatur und andere Kenngrößen, (F) Pumpensystem, (G) mehrfaches Dämpfersystem aus aktiven und passiven Komponenten
Um zu verstehen, wie man mit Hilfe dieser Mikroskope die eben erklärten 'Nano-Autos' fahren kann, ist es notwendig, ein grundsätzliches Verständnis für das Messprinzip eines STMs zu haben. Dabei wird eine im Idealfall atomar spitze Metallspitze über eine ebene Metalloberfläche bewegt und eine Spannung zwischen den beiden angelegt. Die beiden Komponenten sind jedoch nicht im Kontakt miteinander, sondern haben einen Abstand zueinander, der im Ångstrom- beziehungsweise Nanometerbereich liegt.
Illustration des STM Messprinzipes
(A) zeigt eine atomare Stufenkante, (B) einen Oberflächendefekt
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Obwohl es keinen im konventionellen Sinne geschlossenen Stromkreis gibt, ist bei einem geeignet geringem Abstand tatsächlich ein schwacher Strom-fluss messbar. Diesen bezeichnet man als Tunnelstrom I(T). Da dieser exponentiell von der Lücke zwischen der Spitze und der Oberfläche abhängt, erlaubt er eine sehr sensible, indirekte Messung der Distanz s.
Die Metallspitze wird über die Metalloberfläche gescannt und der Strom-fluss aufgezeichnet. Weißt man den gemessenen Stromstärken eine Falschfarbenskala zu, so werden Linie-für-Linie Bilder erhalten, welche mit ihrer unfassbaren Vergrößerung Einblicke in eine andere Welt geben.
Natürlich ist es nicht ganz trivial die hier erwähnte Bewegung der Spitze so präzise und knapp über einer Metalloberfläche zu realisieren, ohne dabei einen Zusammenstoß zu verursachen. Dafür nutzt man sogenannte Piezo-elemente P, welche sich abhängig von einer angelegten Hochspannung höchst präzise und reproduzierbar ausdehnen oder zusammenziehen.
Weiters ist das ganze System mehrfach durch passive Luftdämpfer, Federn und aktive Piezodämpfer gesichert, um einer Einkopplung von Schwingungen und mechanischen Störungen vorzubeugen. Außerdem ist bei einem Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskop (kurz: LT-STM) der Messkopf auf 4-5 K (-268 °C) gekühlt und damit wird auch thermischer Drift eliminiert, was die Messstabilität und Präzision weiter erhöht.
Obwohl extrem glatte, reine und gut präparierte Metalloberflächen als Untergrund bei STM Messungen verwendet werden, finden sich auch auf diesen immer wieder Defekte (B) oder Stufenkanten (A). Ersters können zum Beispiel fehlgeordnete oder fehlende Oberflächenatome sein. Eine atomare Stufenkante bezeichnet eine Stufe, mit einem Höhenunterschied von einer Atomlage. Solche Defekte und Stufenkanten beeinflussen den gemessen Stromfluss und damit die automatisch adjustierte Ausdehnung des Piezoelementes Pz.
Quelle: pexels
Kommen wir nun zur eigentlichen Frage wie man 'Nano-Autos' fährt. Da der gesamte Probenkopf bis auf 4 K runtergekühlt ist, gibt es keine signifikante, beobachtbare thermische Bewegung der Moleküle. So können sie gezielt durch folgende, erlaubte Antriebsmodi bewegt werden:
energetische Anregung durch inelastische Elektronen (4)
Die Spannung zwischen Spitze und Oberfläche wird angehoben, höherenergetische Elektronen werden emittiert und können gezielt in ein Molekül injiziert werden. Dabei regen sie das Molekül zur Bewegung an.energetische Anregung durch Licht (0)
Licht - vorzugsweise als Laser - wird verwendet um das Molekül zur Bewegung anzuregen.Ausnutzung von Coulomb-Wechselwirkungen (2)
Wie im folgenden Bild illustriet wird ein lokales elektromagentisches Feld verwendet, um ein Molekül mit einem inhärenten Dipol zur Bewegung anzuregen.
In Klammern neben den drei Modi ist die Anzahl an Teams angegeben, welche sich für den jeweiligen Antriebsmechanismus entschieden haben.
5. Die Regeln des Rennens
Von neun Teams, welche sich nach etwa drei Jahren Forschung um die Teilnahme beworben haben, wurden sechs akzeptiert:
- Japan, vom National Institute for Materials Science
- Frankreich, von der Université Paul Sabatier
- Amerika, von der Ohio University
- Schweiz, von der University of Basel
- Deutschland, von der TU Dresden
- Österreich-Amerika, von der Universität Graz und der Rice University
Alle Teams mussten die Regeln akzeptieren. Diese lassen sich grob wie folgt zusammenfassen: Jedes Team muss vor dem Start eine Rennstrecke mit einer Länge von 100 nm vorbereitet haben. Diese muss mindestens zwei wesentliche Kurven (markiert durch Wendepunkte) beinhalten und vor dem Rennen vom Race-Commissioner abgenommen worden sein.
Vor dem Rennen dürfen an der Startlinie und entlang der Rennstrecke das erste 'Auto' sowie 'Reserveautos' in Position gebracht werden. Sobald das Rennen gestartet wurde dürfen die 'Nano-Autos' nur noch mit erlaubten Antriebsmodi vorangetrieben werden. Wenn es irgendeine Art Unfall gibt, darf von der letzten Position des Autos mit einem 'Reserve-Boliden' weiter-gefahren werden.
Ausgeschrieben war das ganze Projekt ursprünglich für eine Goldoberfläche als STM Hintergrund und damit für eine "goldene Rennstrecke". Da das österreichisch-amerikanische Team mit ihrem äußert effizient getunten, molekularem Rennauto auf dieser sehr inerten Oberfläche Probleme hatte es gezielt zu manövrieren, fragten sie einige Monate vor dem Rennen an, um für sich eine Ausnahme zu erwirken: Sie schlugen den Wechsel zu einer weniger inerten Silberoberfläche vor. Diese wechselwirkt stärker mit den darauf aufgebrachten Molekülen und bremst sie ein, was ihrem nahezu unkontrollierbar mobilem Dipolar-Racer durchaus entgegenkam. Die anderen Teams wurden über ihr Ansuchen informiert. Wissens der Natur des Silbers, sowie mit einer Auflage von 50 nm extra für das österreichisch-amerikanische Team stimmten alle der individuellen Anpassung zu. Der Teilnahme unsers Teams stand somit nichts mehr im Wege.
Eine letzte Möglichkeit gegen Einzelheiten der Regeln aufzubegehren gab es am Abend des 27. Aprils, am Tag vor dem Rennen, doch alle Teams stimmten ausnahmslos zu.
Die ausführlichen, englischen Regeln findet ihr in ihrem Original hier.
Die "Kommandozentrale" der Piloten am Tag vor dem Rennen.
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6. Das Nano-Rennen
Das Rennen war ausgelegt auf ein 36 h Event. Es gab also für jedes Team nicht nur einen Piloten, sondern auch eine Co-Piloten, damit sie sich in ihrer Arbeit und Arbeitszeit abwechseln konnten. Für das Rennen wurden am Gelände des CNRS in Toulouse ein gewaltiger Aufwand betrieben, um sowohl das gesamte wissenschaftliche Personal, das Equipment als auch die Medien unterzubringen.
Das Rennen wurde vom französischen Radio verfolg, auf YouTube live ausgestrahlt und in einigen naturwissenschaftlichen Museen übertragen.
Die geplante Rennstrecke des österreichisch-amerikanischen Teams könnt ihr im folgenden STM-Bild sehen:
Im 'Start'-Bereich könnt ihr zwei der von den Chemikern der Universität Rice synthetisierten Dipolar-Racer sehen. Die nächsten beiden blauen Kreise markieren die Umkehrpunkte, welche durch bewusst eingeführte Metall-Cluster erzeugt worden sind. Links unten ist das Ziel hervorgehoben.
Im Endeffekt waren die Ergebnisse durchaus eindeutig. Obwohl das rein amerikanische Team meiner Meinung nach mit ihrem 'rießen' Nano-Auto wohl den Kreativpreis in Sachen Design und Synthesechemie verdient haben und das Schweizer Team nach etwas über 6 h Rennzeit ihre 100 nm auf der Goldoberfläche absolviert hatten, gab es nur ein Team das den absoluten Weltrekord setzte:
Das österreichisch-amerikanische Kooperationsteam raste mit ihrem höchsteffizienten 'Dipolar-Racer' über ihre längere, auferlegte Strecke von 150 nm in nur 1 h und 33 min!
Und dabei blieb es nicht, denn nach 29 h konzentrierter Arbeit konnten sie sich das erste Team nennen, dass es geschafft hatte ein einzelnes Molekül über eine Distanz von 1000 nm kontrolliert zu bewegen, ohne es dabei mechanisch zu berühren.
Hier ein Video vom Dipolar Racer auf der Rennstrecke:
Kurioses Nachwort:
Obwohl das gesamte Event sowie die Leistungen und Beiträge aller wissenschaftlichen Teams bemerkenswert sind und einen klaren Erfolg im Bereich der Nanotechnologie bedeuten, so ist es immer Mutter Natur, von welcher wir in Sachen Chemie und Physik gnadenlos auf unsere Plätze verwiesen werden.
Dafür muss man sich nur einmal kurz vor Augen führen, dass die Strecke von 150 nm von einem lebenden Haar in unter 2 Minuten zurückgelegt wird und zwar nur auf Grund seines eigenen Wachstums, also durch die molekulare Biosynthese an seiner Wurzel!
Ich hoffe, euch hat dieser tiefere Einblick in ein sehr spezielles Feld der modernen Forschung gefallen. Wenn ihr Fragen zum Messprinzip oder dem Event an sich habt, freue ich mich auf eure Kommentare!
Für Mehr empfiehlt sich auch der Youtube Channel des Nano Car Races, wo ihr alle Highlights des live ausgestrahlten Events nachsehen könnt.
mountain.phil28
Referenzen:
- G. J. Simpson, et al. How to build and race a fast nanocar, Nature Nanotechnology, 2017, 12, pp. 604–606
- C. Joachim, et al. Molecule Concept Nanocars: Chassis, Wheels, and Motors?, ACS Nano2013, 7 (1), pp 11–14
- R. Pawlak, et al. Fast and curious, Nature Nanotechnology, 2017, 12, p. 712
- Die offizielle NanoCar Race Homepage, zugegriffen am 30.04.2018
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Einfach nur geil. Super Event und tolle wissenschaftliche Arbeit. Danke!
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