Der Mythos Kastration
Liebe Steemit Gemeinde!
Heute möchte ich über ein Thema schreiben, bei dem sich die Geister scheiden...
Die Kastration!
#dogs #tierliebe #health
(Rüde Jackie, mit 10 Monaten noch nicht kastriert)
Unter dem Begriff Kastration versteht man eine vollständige Entfernung der Keimanlagen (Hoden beim männlichen Tier oder Eierstöcke beim weiblichen Tier). Bei der Sterilisation handelt es sich lediglich um das Abbinden oder Durchtrennen von leitenden Organen, also Samen- beziehungsweise Eileiter. Es kann demnach sowohl beim männlichen als auch beim weiblichen Tier eine Kastration durchgeführt werden. Im Gegensatz zu einer Sterilisation bei der die verantwortlichen Hormone noch immer vorhanden sind und auch der weibliche Zyklus weiterhin stattfindet, kann bei der Kastration das geschlechtstypische Verhalten unterbunden werden.
Hier die verschiedenen Möglichkeiten mit ihren Pros und Kontras im Überblick:
1. Frühkastration beim Rüden
Die Frühkastration bezeichnet die Kastration vor der vollständigen Ausreifung. Hierzu wird vor allem bei Rüden geraten, die schon sehr früh "unerwünschtes" Verhalten wie Aufreiten oder Aggression gegenüber anderen Rüden zeigen. In einigen Fällen verschwindet dieses Verhalten tatsächlich unmittelbar nach der Kastration, sobald die männlichen Hormone nicht mehr im Körper kursieren.
Doch ACHTUNG: Diese Methode kann vor allem bei großen Hunderassen, wenn das Wachstum noch nicht abgeschlossen ist schlimme Folgen haben. Durch den Mangel an geschlechtsspezifischen Wachstumshormonen, kann das natürliche Längenwachstum der langen Röhrenknochen nicht physiologisch ablaufen. Die Hormone, die normalerweise das Stop-Signal für das Wachstum geben fehlen, was zu enorm langen Gliedmaßen führt. Diese zu langen Knochen neigen verständlicherweise auch zu Fehlbildungen und Brüchen. Weiters bleiben Frühkastraten auch oft in ihrer psychischen Entwicklung zurück, was zu ewig verspielten und wenig folgsamen Hunden führt. Ich würde persönlich aus medizinischer Sicht sehr stark von der Frühkastration abraten und sie auch selbst nicht durchführen.
2. Kastration nach vollständiger Ausreifung:
Der Nachteil einer Kastration adulter, geschlechtsreifer Rüden ist das manchmal zuvor bereits eingelernte, unerwünschte Verhalten. Jedoch reduziert sich dieses auch bei Rüden die erst mit 1,5 bis 2 Jahren kastriert werden. An dieser Stelle sollte gesagt werden, dass als Erfahrungswert für eine deutliche Verhaltensänderung nach der Kastration ein Alter von 5 Jahren steht. Bei älteren Rüden bleibt das Verhalten nach der Kastration meist gleich. Allerdings ist Aggression sehr oft nicht von männlichen Hormonen ausgelöst, sondern geht aus einer Angst oder schlechten Erfahrungen hervor. Das sollte unbedingt abgeklärt werden, da sich unsicheres Verhalten durch eine Kastration verstärken kann.
Jedoch gibt es auch andere Gründe, die für eine Kastration sprechen. Zum einen leiden unkastrierte Rüden oft unter einer gutartigen Prostatavergrößerung, die zu Kot- und Harnabsatzproblemen führt. Allerdings kann die selten vorkommende bösartige Form des Prostatakrebses auch bei kastrierten Rüden vorkommen. Das zweite Problem, das nur intakte Rüden betrifft, sind Vorhautentzündungen. Die dritte „rüdenspezifische“ Erkrankung ist die Perinealhernie. Hierbei handelt es sich um einen Defekt der Muskulatur im Bereich des Anus, wodurch es zum Vorfall von Fettgewebe oder Organen wie Enddarm und Harnblase kommen kann. Die Prostatavergrößerung und die Perinealhernie kommen fast ausschließlich bei mittleren bis älteren Rüden vor und auch eine nachträgliche Kastration schützt vor dem neuerlichen Auftreten, beziehungsweise führt zu einer Rückbildung der Prostata.
3. Kastration als Prophylaxe bei der Hündin
Bei Hündinnen gibt es verschiedene Erkrankungen wie Pyometra (eitrige Gebärmutter) oder Mammakarzinome (Gesäugetumoren), welche nur bei unkastrierten Hündinnen auftreten. Während bei einem Rüden die Frühkastration mit vielen Risiken verbunden ist, gibt es bei Hündinnen Studien die besagen, dass eine Kastration vor der ersten Läufigkeit die Gefahr für Mammatumoren gegen 0 senkt. Aufgrund der Besonderheiten im Zyklus der Hündin erkrankt jede 5. Hündin bis zu ihrem 10. Lebensjahr an einer Pyometra. Bei Hündinnen, die in ihrem Leben nie Welpen hatten ist die Zahl sogar noch höher. Die Pyometra ist eine sehr schwerwiegende Erkrankung, die unbehandelt durch Riss der Gebärmutter und Erguss des eitrigen Inhaltes in die Bauchhöhle zu einer tödlichen Peritonitis (Bauchfellentzündung) führt.
Deshalb würde ich bei einer Hündin, die nicht zur Zucht eingesetzt werden soll, immer zur Kastration mit vollständiger Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke raten, da es bei unvollständiger Entfernung auch zur sogenannten „Stumpfpyometra“ kommen kann.
Weiters zeigen Hündinnen vor allem nach der Läufigkeit in der sogenannten "Scheinschwangerschaft" oft aggressives Verhalten gegenüber anderen Hündinnen.
Ein Risiko der Kastration bei Hündinnen ist die Inkontinenz. Vor allem große Rassen wie beispielweise der Boxer sind sehr häufig von diesem Problem betroffen. Ein weiterer Punkt sind Skeletterkrankungen, die auch bei kastrierten Hündinnen häufiger vorkommen als bei unkastrierten.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass die Entscheidung deinen Hund kastrieren zu lassen bei dir selbst liegt. Dennoch sollte man den Eingriff nach Abwägung der Vor- und Nachteile durchführen lassen.
Ich hoffe ich konnte mit meinem Artikel einige Fragen und Mythen zu diesem Thema klären. Für Fragen stehe ich wie immer gerne zur Verfügung ;)
Dr. Petlover <3