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RE: Funktionieren und Selbstüberforderung : Überschreiten des zulässigen Lebens-Tempos

in #adhs7 years ago

Ich kann absolut nachvollziehen, was du da beschreibst. Ich hab auch jahrelang funktioniert - bis zum totalen nervlichen Zusammenbruch (mittlerweile liegt das schon 15 Jahre zurück). Ein Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik hat bei mir damals auch zur Entschleunigung geführt. Ich hab gemerkt, dass ich einfach nicht das leisten kann, was andere leisten. In meinem Kopf und meinem Gefühlsleben ist so viel los, dass ich sehr viel Zeit für mich brauche, um alles verarbeiten zu können. Nach einem Treffen mit Freunden brauch ich erst mal zwei Tage lang keine weiteren Dates und Termine.^^ Auch die Lebensbereiche Arbeit, Zeit für mich und Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen wollen bei mir sorgsam ausbalanciert werden.

Ich finde es toll, dass du über solche Themen schreibst, denn damit trägst du dazu bei, dass Menschen ein besseres Verständnis dafür bekommen, wie verschieden wir alle sind - und wie verschieden unsere Bedürfnisse sind. Viel zu oft müssen Menschen, die nicht auf die "normale" Weise funktionieren, sich rechtfertigen und verbrauchen viel Kraft für das Bewahren ihrer Grenzen. Ich werde zum Beispiel oft gefragt, warum ich nicht Vollzeit arbeiten will. Wenn ich dann sage, dass ich nur so funktioniere, ist das für die meisten Menschen kein Argument. Dann kommen so Sätze wie "Aber du bist doch jung, du musst doch was erreichen wollen und Geld für schlechte Zeiten ansammeln." Freunde können sich nicht vorstellen, dass ich zufrieden damit bin, nur 1-2 mal pro Woche Menschen zu treffen - sie sorgen sich und denken, ich sei depressiv, sie sagen "du musst doch unter Menschen, der Mensch ist doch ein soziales Wesen". Als ich mit meinem Freund zusammenzog, bestand ich auf ein eigenes Zimmer für mich, mit eigenem Bett indem ich überwiegend allein schlafen könnte. Sofort bekamen wir zu hören "nach Liebe klingt das nicht gerade, wenn man sich liebt, will man doch ständig zusammensein, da stimmt doch was nicht". Dieser Umstand, dieses Nichtverstehen und Nichtakzeptierenkönnen von Andersartigkeit ist es, was mir das Leben richtig schwer macht - und nicht die Andersartigkeit an sich! Ich selber fühl mich in meiner Haut nämlich ziemlich wohl. :-)

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Danke für den ausführlichen Kommentar. Ich sehe es auch so, dass die fehlende "soziale" Einfühlung der "neurotypischen" Umwelt meist das grössere Problem ist. Aber wir leben nun einmal in dieser einen Welt. Eine bessere gibt es noch nicht. Und Krankschreibung / Rente ist sicher keine Lösung. Und wenn der Steem nicht in extreme Höhen steigt, werden wir wohl oder übel von irgendeiner Arbeit in dieser Welt leben müssen. Sich dabei nicht verbiegen lassen bzw. auf seine individuellen Stärken und Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen ist die Kunst.

Ich verstehe auch überhaupt nicht, wie man sich ein 90cm-Bett teilen (wollen) kann. :)
Ich verstehe nicht mal die Menschen, die mit großer Selbstverständlichkeit mit dem eigenen Freund zusammenziehen, ggf. bei dessen Familie einziehen, und bei Not einfach zum nächsten gehen.

90 cm für zwei Menschen? Das ist echt ambitioniert. :-) Naja, aber wer das so mag - dem sei es von Herzen gegönnt!

Richtig verliebte Menschen (was auch immer das heißt ;)) können das wohl ab. Ich könnte Romane schreiben, warum ich es nicht kann. Fängt mit Rücksicht auf den anderen an und hört mit Angst vor soviel Nähe auf ...

Also würdest du auch sagen, wenn man das nicht ab kann, dass es sich dann nicht um Liebe handeln kann? Also ich finde das gar nicht. Liebe hat doch tausend Gesichter. Jeder muss eben nur den zu ihm selbst passenden Ausdruck dieser Liebe finden. :-)

Ich hab das Thema für mich selbst nicht so ernst genommen, daß ich jetzt sagen könnte: ich hab genug geliebt. Zwei Jungs haben die nachfolgende Partnerin geheiratet. An ihnen gelegen haben kann es also nicht. ;)