Faszinierende Köcherfliegen

Frühling! Das erste frische Grün im Gartenteich! Zarte, hellgrüne Pflänzchen kündigen vorsichtig und eher vereinzelt an, dass der Wasserdschungel langsam beginnt, sich zu entwickeln.
So dachte ich, als ich die kleinen "Pflanzen" vor ein paar Tagen am abfälligen Teichrand und auf dem dank winterklarem Wasser gut zu sehenden Grund eher beiläufig wahrnahm.

---

Beim nächsten Vorbeikommen am Teich schaute ich etwas genauer hin. Zum einen hatte ich diese solitären Pflänzchen noch nie in unserem kleinen Gewässer gesehen, zum anderen wirkten sie merkwürdig. Quaderförmig, fast scharfkantig. Irgendwie künstlich zusammengebastelt. Außerdem war gar nicht zu erkennen, dass die grünen, eckigen Körbchen wurzelten - sie lagen eher herum. Der Sache wollte ich auf die Spur kommen, aber wie das so ist - aus den Augen, aus dem Sinn.

---

Am nächsten Tag aber trieb etwas Erstaunliches meine Neugier in die Recherche: Die "Pflanzen" bewegten sich. Und nicht nur das. Sie bewegten sich fort! Es musste sich um irgendein Tier handeln.
Ich fischte eine dieser kriechenden Würfelpflanzen aus dem Wasser, konnte gerade noch sehen, wie zwei Beine blitzschnell in das Innere des länglichen Quaders gezogen wurden. Gut, den unbekannten Bewohner wollte ich nun nicht weiter stören, nahm mir jedoch einen Moment um festzustellen, dass es sich bei dem Ding in meiner Hand um zusammengesteckte Pflanzenteile - Stiele und Halme - vermengt mit kleinsten Steinen und Fadenalgen handelte.

---

"Köcherfliege!" mutmaßte mein Mann. Er hätte so etwas zwar auch noch nicht gesehen, aber davon gelesen. "Hoch spannend, schau mal!" - und schon machten wir uns über das stets griffbereite Pareys Buch der Insekten (aus dem auch die Abbildung rechts stammt) her.
Mit den Köcherfliegen (Ordnung Trichoptera) hatte er einen Volltreffer gelandet. Welche Art nun genau unseren Gartenteich als Puppenstube gewählt hat, bleibt aber wohl erstmal ein Geheimnis: Im Parey von 1984 wird von etwa 6000 Arten geschrieben, Wikipedia spricht von ca. 13.000 bekannten Köcherfliegenarten, womit diese die größte 'primär aquatische' Insektenordnung seien.

Köcherfliegen, die nach vollständiger Metamorphose das geschlechtsreife Erwachsenenstadium erlangt haben, sind bräunliche, nachtfalterähnliche Insekten. Die meisten fliegen nachts, nehmen auch nachts ein wenig Nektar aus Blüten am Wasserrand auf. Sie werden von Licht angezogen, wo wir sie dann bemerken können.
Sehr interessant für unsere Forschungen ist der kleine Falter aber im Larven- und Puppenstadium - und immerhin erhielt er wegen dieser Stadien auch seinen Namen.

Die Köcherfliege legt ihre Eier an Gewässerrändern, gern geschützt unter Steinen, ab. Im Herbst schlüpfen die Larven - Allesfresser, die mit kräftigen Mandibeln ausgestattet sind. Die meisten Arten ('unsere' auf jeden Fall) beginnen nun, Pflanzenteile abzuknabbern und/oder zu sammeln, um aus diesen kunstvoll einen transportablen Köcher anzufertigen. Kleine Steinchen sorgen für Festigkeit des Gehäuses, verfugt wird das Häuschen mit einem Sekret, einer Art Seide, die aus den Speicheldrüsen der Larve stammt. Jede Köcherfliegenart baut die Köcher nach einem bestimmten Muster!
Die Larve 'spinnt' den Köcher um sich herum. Er ist vorn und hinten offen, womit das Längenwachstum beim nun anstehenden 'großen Fressen' berücksichtigt wird. Gut als Pflanze getarnt, kann sich die Larve nun frei auf dem Grund stehender Gewässer bewegen, unerkannt kleine Wasserinsekten jagen.
Satt und gut genährt, befestigen die Larven - wieder mit gesponnener Seide - ihren Köcher an Pflanzen oder Steinen, verkleben die Öffnungen des Köchers und verpuppen sich darin.
Ist die Puppe bereit zum Schlüpfen, beißt sie die vordere Öffnung des Köchers auf und - je nach Art - krabbelt oder schwimmt ans Ufer. Kaum auf dem Trockenen, schlüpft dann nach nur vier Minuten die erwachsene Fliege, das Imago, aus der Puppe.

Noch gestern liefen etliche Köcher wie Einsiedlerkrebse im Teich herum - heute sind sie weg. Weg! Nichts mehr zu sehen!

Ich bin sehr gespannt, wann die ersten in unserem kleinen Biotop gezüchteten Fliegen ausschwärmen. Und ob die Menge wandernder Würfelpflanzen für die Arterhaltung der Köcherfliege reicht oder sie am Ende doch nur Biomasse für unsere Meisen, die bereits jetzt mit Schnäbeln voll Haaren von Mäx und Nuka gesichtet werden, darstellen...

---

---

^{Banner (incl. natural arts) by @chriddi - You may use it!}

	Herzlich willkommen in der Community Deutsch Unplugged!	Be smart, steem on - mit Netiquette!

---

Bilder: @chriddi

---

---

15.03.2022

---

---