Bald beginnt der Ernst des Lebens

in Deutsch Unplugged2 days ago (edited)

Am Wochenende haben wir eine Menge Zeit damit verbracht, den großen Umzug vorzubereiten. Die kräftigen Burschen Balboa & Co erhielten vorübergehend eine neue Weide, die Böckchenweide wurde auf Vordermann gebracht. Langes Gras an der Stromlitze musste der Sense weichen, der kleine, einer Bushaltestelle ähnelnde Unterstand wurde frisch eingestreut, um den zugegeben recht strengen Bockduft wenigstens ein wenig zu überdecken. Selbstverständlich inspizierten wir alle Zäune dahingehend, ob auch wirklich nichts "Kleines" hindurch schlüpfen könnte: Meine acht Lämmer werden in den kommenden Tagen ihre eigene Koppel erhalten.

Solveigh und Bambo, Päbbles und Pörcy, Lolleck und Bolleck sowie Erbse und Wurzel sind keine Lämmchen mehr. Sie sind kerngesunde, kräftige, hochgewachsene Lämmer, fast schon Jungschafe. Nun ist es an der Zeit, dass sie ihre Mütter verlassen. Es tut mir in der Seele weh, sind die Jüngsten doch gerade erst drei Monate alt geworden. Aber es nützt nichts, die Tiere haben sich zu gut entwickelt.

Theoretisch sind die Böckchen noch nicht geschlechtsreif (die kleinen Auen sowieso nicht), doch wer verlässt sich auf die Theorie, wenn die kleinen Kerlchen schlicht zu häufig das fröhliche Aufbocken mit ausgefahrenem Geschlechtsteil spielen? Die Tanten sind schon ganz genervt.
Außerdem werden die Jungs zu stark. Pörcys gut gemeinte Aufforderung zum Kraulen tut schon richtig weh. Mäx traut sich kaum mehr auf die Weide, weil Lolleck ihn immer noch für seinen besten Freund hält. Er verfolgt ihn von Beginn an auf Schritt und tritt, auch, wenn der Hund sich noch so gut versteckt. Kuscheln ist nicht mehr angesagt, überdies soll Mäx das Milchbärtchen nicht mehr abschlecken. Lolleck will spielen. Und zwar so, wie Böcke spielen. Das ist nichts für Mäx. Und da dieser nicht spielen darf, wie Hunde spielen - richtig Ärger bekommt, sobald er die Zähne zeigt - hat Mäxchen einfach keinen Bock mehr.

Die tapferen Mütter Smilla, Dolly, Olivia und Blanca säugen ihre Babys natürlich immer noch. In Sekundenschnelle leeren die Lämmer im Knien die Euter der Mutterschafe. Wenn sie aufstehen, reißen sie die Auen fast von den Beinen - das ein oder andere Hintergeläuf hängt durchaus mal in der Luft, wenn sich die Lieblinge an die Milchbar begeben. Langsam zehrt das Füttern der Jungen an der Gesundheit der Muttertiere. Sie sind bereits sichtbar abgemagert, weil sie gar nicht so viel fressen können, wie ihre Körper in Form von Milch produzieren müssen.

Letztlich benötigen die Lämmer schon lange keine Milch mehr, die stellt nur noch eine extrem leckere Zwischenmahlzeit dar. Die Gören sind flügge. Sie können ganz alleine für sich sorgen, laufen als Teeniegruppe völlig selbstständig auf der Weide umher, schmusen und balgen (sehr ruppig) miteinander und fressen nebenbei Gras und Kräuter wie die Scheunendrescher. Ich muss mir also keine Sorgen machen. Auch nicht um die fürsorglichen Schafmamis. Diese werden ein bis zwei Tage sporadisch nach ihren Kindern rufen, teilweise sogar auf die aktive Suche gehen. Meist aber akzeptieren sie, dass die Lütten nun auf eigenen Füßen stehen und genießen ihre Ruhe sowie die Erholung ihrer erschöpften Körper.

So what? Ist doch klar: Ich kann mich nicht trennen. Ich kann mich nicht von der Familienidylle trennen, nicht von der Freude, die mir die Beobachtung der enorm dynamischen sozialen Gefüge bereitet. Außerdem weiß ich, dass der Umzug wie das Entwöhnen von der Muttermilch für die Hälfte meiner Babys einen Abschied für immer bedeutet. Die jungen Auen werden nach vierzehn Tagen vermutlich in ihre Herde zurückkehren können. Nach dieser Zeit sind sie entwöhnt, fragen gar nicht mehr nach Milch, die die Muttertiere dann auch hoffentlich nicht mehr produzieren. Die Böckchen aber werden zunächst einmal in die Bockherde integriert. Dort lernen sie nicht nur ihren Vater kennen, sondern werden sich auch in schmerzhaften Reibereien mit erwachsenen Böcken ihren Stand in der Herde erkämpfen müssen. Och Menno, sie sind doch noch so klein...

Zusätzlich steht im Raum, dass es mir nicht gelungen ist, auch nur ein einziges Schaf zu verkaufen. Trotz gutem Netzwerks, trotz ansprechender Anzeigen beim Schafzüchterverband, trotz Mund-zu-Mund-Propaganda - nicht eines. Das heißt, ich habe 26 Tiere. Ich kann es mir zwar leisten, diese zu ernähren und die Weide, die ich bald mein Eigen nennen werde, ist auch groß genug für die lustige Truppe. Dennoch sind 26 Schafe für eine Hobbyzucht eine wirklich grenzwertige Hausnummer. Es dürfen nicht mehr werden.
Da ich mich nach wie vor sehr schwer mit dem "normalen" landwirtschaftlichen Kreislauf und dem "üblichen" Schicksal von (insbesondere männlichem) Nutzvieh tue, möchte ich weiterhin auf Schlachtung verzichten.
Keine Schlachtung, kein Verkauf? In dem Fall muss ich mir meiner Verantwortung bewusst sein, die eine sinnfreie Reproduktion ausschließt. Dann würden Elton oder vielleicht der unglaublich prächtige Manni im Herbst keine Nachkommen zeugen. Sehr schade, denn gerade die Lammzeit ist mit den Tieren die schönste, intensivste, innigste Zeit.

Ich werde also nochmal die letztmöglichen Register ziehen. Nach elektronischen und fernmündlichen Wegen, versuche ich es mit dem guten alten Schwarzen Brett. Ich habe einen Flugzettel entworfen, den ich im Umkreis von zehn Kilometern verteilen werde. In den Tante-Emma-Läden der umliegenden Dörfer, beim Futterhändler, in der einzigen Bank weit und breit, an Haltestellen. Auf ein Anpinnen an der Tankstelle, die jeder Einheimische ansteuert, werde ich verzichten, denn gleich daneben steht eine Döner-Bude...
Sei ehrlich: Würdest du mich umgehend anrufen?!


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14.07.2025


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 2 days ago 

Flügge zu werden ist offensichtlich nicht nur bei Menschen ein (schwieriges) Thema. Was würden die Schafe nur machen, wenn es nicht die Hirtin gäbe, die darauf achtet, dass es irgendwann genug ist, der Mutter die Milch wegzutrinken!?

Ja, auch bei uns Nichtschafhaltern ist das aktuell ein Thema. Allerdings braucht's bei uns tatsächlich keinen Dritten, der dafür Sorge trägt. In dem Fall will der Nachwuchs selbst flügge werden. ;-)

Ein Traum, wenn deine Jungtiere nun auch noch ein neues Zuhause fänden...

 yesterday 

Hihi, stimmt wohl. Für Sprösslinge wie Eltern... 😉

Naja, einige sehr behütende Auen ließen sich ohne menschliches Zutun tatsächlich bis zum bitteren Ende auszehren (vgl. "Grinsi"). Dabei ist - besonders beim Ostfriesischen Milchschaf und bestimmt auch bei sämtlichen Hochleistungskühen - mal wieder der Mensch der Verursacher: Die Tiere sind auf Produktion gezüchtet, natürliche Regulatoren wie Hormone wurden über die Jahre weglabort, bzw. verzögert.
Andere Tiere achten gut auf sich selbst und stoßen die Lämmer vom Euter weg. Smilla z.B. ist kugelrund - wie alle anderen Schafe beim derzeitigen üppigen Futterangebot. Mütterlich ist sie trotzdem: Keine ihrer Artgenossinnen lässt die eigenen Lämmer so wenig aus den Augen wie Smilla, keine andere schläft noch mit engem Körperkontakt Seite an Seite ihrer Halbstarken wie sie. Helikopter-Aue...

Sie müssen ja nicht unbedingt eins finden. Beim besten Zuhause überhaupt, steht die Tür das Gatter doch sperrangelweit offen... 😎

huiiii

diese situation kenne ich zu gut

meine tiere gehen nur in gute hände
zack,arschlecken 3, 50
meine nachbarn holten meine tiere,
sie hielten sich nicht an abmachungen und meine zahmen tiere waren danach weg

heute gebe ich keine mehr ab
doch musste mich mit geburtenkontrolle und auch schlachtung der männlichen tiere,leider vertraut machen
doch da sag ich ganz klar
lieber ich hab das in der hand
als das meine tiere weg gehen und ich danach erfahre,sie sind alle tot

also ( mega schweren herzen )
habe ich angefangen zu schlachten
und wenn es so ist,genieße ich das fleisch meiner handaufzuchten oder tiere die ich behütet betreut habe

alles liebe dir
und tolle menschen die sich genau daran halten

 10 hours ago 

Ja, das wäre der Horror: Versprechen, die nicht eingehalten werden. Es bedarf also zusätzlich zum Abschiedsschmerz viel Menschenkenntnis. Am Ende hast du ja weder Handhabe noch Rechte (meist auch keine Kontrolle), wenn ein Käufer als Besitzer mit seinem Tier macht, was er will.

Nun darf man Tiere ab einer bestimmten Größe (in der EU) ja nicht selbst schlachten... Ein bekannter Bauer, der einst als Fleischbeschauer fürs Veterinäramt zuständig war, sagte, unter landwirtschaftlichen Gesichtspunkten könnte er mich überhaupt nicht verstehen, als Ehemann hingegen schon. Seine Frau heule auch nach vielen Jahren immer noch Rotz und Wasser, sobald ein Bulle zum Schlachthof gefahren wird. Er hat mir angeboten, seine Kontakte spielen zu lassen: Ich dürfte bei einer kleinen Landschlachterei mit in die Wartebox (wo die Tiere sich nach dem Transport erstmal beruhigen sollen). Dort könnte ich meine Bubbis bis zum Schluss kraulen. Wenn sich dann die Tür zum betäubenden Bolzenschussgerät öffnet, könnte ich sicher sein, dass die Tiere in ihrer allerletzten Lebensminute keine Angst hatten.

Scheiße, Tipppause. Allein bei dem Gedanken, fließen mir die Tränen. Und zwar richtig. Ich schluchze.

Ein überlegenswertes Angebot. Denn eigentlich ist mein emotionales Verhalten etwas schizophren. Ich bin nicht einmal Vegetarierin, esse sogar ganz gerne mal ein gutes Lammkotelett.
Bei jedem Happen Balboa wüsste ich, dass das Tier ein wunderbares Leben hatte, sein Körper (Fleisch) nicht durch Medikamente oder Muskelwachstum fördernde Hormone verseucht worden ist, ich keine Chemie fressen würde, die heutzutage jedes Lebensmittel vergiftet...

Bin noch nicht so weit. Warte noch ein Weilchen auf tolle Menschen. Oder verschenke mein Herz weiter an genau diese 26 Wollknäule... 🤗

Ah, letting go... the eternal dilemma.

Whenever I read your posts about the sheep, I find myself stepping into your shoes — trying to truly understand your reality. I think to myself, “So many sheep are slaughtered every day, so why is Chriddi so concerned about just a few of hers?” But of course, these are two completely different realities…

One of the four stray kittens met with an accident — while I was away on holiday. I had a solid five-minute cry in the washroom. More than sad, I’m angry. Really, really angry. It wasn’t anyone’s fault in particular, but still… a few people might have prevented it. And yes, they got an earful from me.

Gosh… these animals. It's not easy to love them and let them go simultaneously...

 12 hours ago 

the eternal dilemma

In fact - a topic for which I left a lot of money at the psychologist... 😉

So many sheep are slaughtered every day

I try to whisper that to myself again and again. I'm not even a vegetarian...
And whoever would eat my animals would be happy, because it would be a flawless food. There would be a guarantee that the sheep had a very good life, that neither poisons nor hormones or anything else used in industrial food production had contaminated their bodies (their meat). Love certainly tastes pretty good too...

The ‘problem’ is the emotional attachment. Every single animal has its own character, every single animal I like to care for and cuddle lovingly. Yes, I love every single sheep of the 26 (even the ones that have already given me bruises).

Maybe I should convert to Islam? Sheep like mine are definitely the ones God envisioned as sacrifices. Not the ones that are bought for the feast. No, the ones you really love - that when you sacrifice them, you are actually giving away what you hold most dear....

 yesterday 

Hoffe dein Flugzettel hat Erfolg. Ansonsten hast du ja schon Plan B, der vermutlich aus Sicht der Schafe die wo anders hin müssten sogar die bessere Option wäre.

 yesterday 

Plan B klingt ziemlich gut... 😉
Vielleicht ist es einfach auch ein universelles Zeichen: Nur zur eigenen Freude (bisschen egoistisch?) setzt man eben keine Lebewesen in die Welt. Schon gar nicht, wenn man schon ganz viele hat, von denen man jedes einzelne liebt.
Wenn es an der Zeit ist, werden sich die richtigen Käufer einfinden. Jemand wie der Mann aus meinem Lehrgang, der mir immer mal wieder berichtet, wie es Kylie und Poppy geht, und mir Fotos von ihnen schickt. Oder jemanden wie mich, die nach über zwei Jahren dem Vorbesitzer (der hatte in seiner Annonce auch "bitte nicht schlachten" stehen) mitgeteilt hat, dass Elton Vater geworden ist. Meine Güte, hatte ich viele Herzchen unter der SMS - von einem quasi wildfremden Menschen...

 2 days ago 

Ich dachte so sicher, daß Du einige der Lämmer gut los wirst... Wenn es kein Verkauf mehr sein soll, sondern nur Abgabe - es gibt da Facebook-Gruppen. Schlachtfreies Zuhause. Und so.

 yesterday 

Nee, natürlich werden die Tiere nicht verschenkt!
Das gute Zuhause haben sie hier. Kriegen bloß keine Geschwister mehr, wenn sie alle bleiben. Aber das ist dann eben so.

 yesterday 

Moin Christiane,
Gut daß ich deinen schönen Bericht gelesen habe, denn mein Akku-Rasenmäher ist kaputt. Können wir da ins Geschäft kommen?

 12 hours ago (edited)

100%ig kommen wir ins Geschäft!
Wie sieht's aus? Ein Schaf beansprucht etwa 1000 qm Fläche für sich (Rosenbeete inbegriffen). Ein Schaf alleine kann aber nicht existieren, es würde an Einsamkeit sterben. Du musst also mindestens zwei nehmen.
Möglicherweise übersteigen die Mietgebühren für einen kleinen Viehanhänger sowie die Spritpreise von Franken nach S.-H. die Kosten für einen neuen Rasenmäher - die Schutzgebühr für die Schafe (der selbstverständlich über dem aktuellen Schlachtpreis liegt) noch nicht berücksichtigt. Aber das ist ja nicht meine Sache - du kannst es dir gern überlegen... 😉

 7 hours ago 

Ein Schaf beansprucht etwa 1000 qm Fläche

Es wird schwierig, ich habs befürchtet. Das mit dem Zweitschaf wäre noch lösbar. Wenn wir an einer Schafherde vorbei kommen sagt meine Frau immer: Ach kuck, deine Brüder und Schwestern ! Warum, die sind auch ständig mit essen beschäftigt. Alles andere übersteigt merine Möglichkeiten.
Aber ernsthaft, jetzt sind deine Sorgen mit Blauzungenkrankheit und Maul- und Klauenseuche ausgeräumt, dafür habt ihr ein nicht minder schwieriges Problem, wohin mit dem Nachwuchs.
Ich drück euch die Daumen, herzliche Grüße Jochen.

 6 hours ago 

die sind auch ständig mit essen beschäftigt

Nicht ständig, aber viel! Letztes Jahr hatten wir doch kurzfristig die Bocklämmer in unserem Garten. Du konntest gar nicht so schnell gucken, wie dieser zu Wüste wurde. Wir mussten recht viel zufüttern, die ungemähte Rasenfläche reichte nicht. Und nach den Appetizern Edelrose, Ringelblume, Sonnenblume, Tagetes etc. schrieen die Burschen nur "Määährrr!"

Sorgen mit Blauzungenkrankheit

Klopf auf Holz - noch sind weder Sommer noch Flug- und Fruchtbarkeitsperiode der das Virus übertragenden Gnitze um.

Sorgen mit Maul- und Klauenseuche

Falls das hiesige Veterinäramt mitliest: Wir hatten keine anzeigepflichtige Maul- und Klauenseuche. In dem Fall hätte der gesamte Bestand gekeult werden müssen.
Es grassierte "nur" (sehr aufwendige Behandlung) die umgangssprachlich als Klauenseuche bezeichnete Moderhinke.

wohin mit dem Nachwuchs

Keine wirkliche Sorge - ich habe sie alle lieb... 🤭

 yesterday 

Oha, na da kommt eine Weggabelung und neue Überlegungen, Geburtenkontrolle, Einwanderrungspolitik, Verkaufsverbote, Strafzölle für Dönerbuden-Besitzer.

Bin gespannt wie sich das alles auflöst, vielleicht mit einem "sheep-coin" 🤔

 12 hours ago 

Ja, ja, man kann in der Tat alles politisieren... 😉
Bei Geburtenkontrolle gehe ich mit, bin jedoch im Fall der Schafe, die ihre Entscheidung nicht selbst treffen könnten, 100%ig gegen Abtreibung... 😇

Da machen wir doch gleich mal einen Reblog - auf das vielleicht das ein oder andere Lamm ein neues Zuhause findet.

 12 hours ago 

Haha, danke. Wobei ich dir leider mitteilen muss, dass die Reichweite hier geringer ist, als in meiner WhatsApp-Schäfergruppe... 🤷‍♀️