Zitate 117 - Henryk M. Broder zu Gast bei der AfD-Fraktion im Bundestag
31. Januar 2019
Der sehr bekannte deutsche Publizist Henryk Marcin Broder (geboren 1946) [1] war dieser Tage zu Gast bei der Bundestagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland (AfD). Die Veranstaltung wurde aufgenommen und kann als Video [2] angesehen werden. Im Vorfeld der Veranstaltung ist auch ein Bild entstanden, auf dem die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel Herrn Broder umarmt. Es wurde bereits versucht, ihm diese Umarmung anzulasten, wobei aus meiner bescheidenen Sicht ganz eindeutig zu sehen ist, dass die kurzzeitige physische Nähe von Alice Weidel [3] gesucht wurde. Er liess die Umarmung geschehen und erschien dabei etwas überrascht.
Das Redemanuskript ist bei der Welt [4] einsehbar. Einleitend hat Henryk M. Broder geschrieben, dass er sich der erwähnten Umarmung wohl besser entzogen hätte. Mir erschien das Bild selbsterklärend, sie mit Begeisterung, er überrascht, für mich lässt sich nicht mehr hineininterpretieren.
Darum soll es in der Folge aber nicht gehen, sondern um zwei Passagen zum Ende des Videos hin. Es geht um die Beantwortung einer Frage von Karsten Hilse [5] und um Henryk M. Broders Schlusswort, die ich hier gerne teilen möchte.
Die Gliederung des Videos ist folgendermassen:
- (0:01-0:46) - Begrüssung durch Udo Hemmelgarn [6]
- (0:47-8:54) - Einführung durch Martin Renner [7]
- (8:55-44:32) - Rede von Henryk M. Broder [1]
- (44:56-47:24) - Geschenk an Alexander Gauland [8]
- (47:30-75:14) - Fragerunde
- (66:55-72:10) - Hier wiedergegebener Auszug aus der Fragerunde
- (75:15-78:28) - Schlusswort von Henryk M. Broder
- (78:30-79:18) - Ende der Veranstaltung durch Martin Renner
(66:55-68:14) - Frage von Karsten Hilse
Vielen Dank, dass Sie da sind! Ich bin auch ein grosser Fan von Ihnen. Sie haben ja vorhin über Klimawandelleugner, Klimaleugner oder Klimaskeptiker gesprochen. Als umwelpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion bin ich natürlich quasi der Oberketzer dieser Fraktion. Sie haben auch schon gesagt, dass der Begriff Leugner schon beinhaltet, dass es sich um etwas handelt, das einem Glauben ähnlich ist. Bei einem Glauben ist es so, dass man keine Beweise bringen muss, die Existenz Gottes muss man nicht beweisen, Jesus musste keinen Beweis vorbringen, dass er gekreuzigt wurde, man hat es ihm einfach geglaubt. Angesichts des heutigen Rückzugs der Kirchen gehen Sie mit mir d'accord, dass die Menschen quasi einen neuen Glauben suchen? Einen Glauben, an dem sie sich festhalten können? Letztlich ist die EEG-Abgabe nichts anderes als ein mittelalterlicher Ablasshandel. Warum sind Menschen so? Eine eher philosophische Frage. Warum müssen die Menschen immer an irgendetwas Höherwertiges glauben?
(68:15-72:10) - Antwort von Henryk M. Broder
Das ist doch eine anthropologische Konstante, dass die Menschen mit der Erbärmlichkeit und Vergänglichkeit ihrer physischen Existenz nicht klarkommen und es deswegen etwas geben muss, das darüber hinausgeht. Ich habe mich oft gefragt, ob ich auch einen Glauben in mir trage, ob es etwas gibt, das für mich über der Realität steht?
Wahrscheinlich ist mein Glaube der, dass ich glaube, dass sich Gerechtigkeit irgendwann durchsetzt. Manchmal dauert es zu lange. Im Dritten Reich dauerte es 12 Jahre zu lange, in der Sowjetunion 70 Jahre, in der DDR 40 Jahre. Aber irgendwann setzt sich die Gerechtigkeit durch. Das ist, wenn Sie so wollen, mein Glaube.
Mein Freund und Kollege Hamed Abdel Samad [8], den ich wirklich für einen der grössten und besten Denker der Gegenwart halte, hat diese Fähigkeit, grosse Gedanken in kleine Sätze zu packen. Einer von Hameds schönsten Sätzen ist:
"Ich habe meinen Migrationshintergrund in den Vordergrund gerückt." Das ist grossartig und macht mich neidisch, wirklich. Ein anderer Satz lautet: "Ich bin vom Glauben zum Wissen konvertiert." Auch das ist grossartig.
Ich will sagen, dass ich nichts gegen den Glauben habe. Der Glaube umschliesst das Nicht-Faktische, Irrationale. Es ist völlig egal, was Sie glauben. Dass der Messias nächste Woche kommt, dass Mohammed auf einem Pferd gen Himmel geritten ist, dass es die unbefleckte Empfängnis gegeben hat. Das ist halt alles Glaube. Mir ist jeder Glaube recht, der mich nicht dazu zwingen will, seine Regeln zu befolgen. Dann kann es jeden Glauben geben.
Aber es gibt ein Bedürfnis etwas zu glauben. Daran können wir gar nicht vorbeisehen. Die Klimageschichte ist eine neue, globale Kirche. Die Tatsache, dass so sich viele christliche Geistliche mit der neuen Kirche solidarisieren, zeigt nur, dass sie versuchen, auf einen Zug aufzuspringen, den sie für zukunftsträchtiger halten als das, was sie selber vertreten. Das ist eine Frage des Marktes. Diese Klimageschichte hat alle Ingredienzien, alle Kennzeichen einer Glaubensbewegung. Es gibt da die gläubigen Massen, die ihre Kirchentage abhalten. Wie zuletzt die Klimakonferenz in Kattowitz. Es gibt da die Helden wie die kleine Greta aus Schweden. Da gibt es die Geistlichen wie Hans Joachim Schellnhuber (geboren 1950) [10] und andere Wissenschafter, mehr oder weniger Wissenschafter, die die Rolle der Priester übernehmen. Und da gibt es die Ketzer, die Häretiker, die Abweichler wie Sie, mich und noch ein paar andere.
Das alles ist eine Glaubensgemeinschaft. Ich finde es albern, aber ich bin Teil der Glaubensgemeinschaft, genauso wie Giordano Bruno (1548-1600) [11] zur katholischen Geschichte gehört, gehören die Ketzer heute zur Klimadebatte. Es geht gar nicht anders. Es ist so und ich finde es gar nicht erstaunlich. In einer säkularen Gesellschaft wächst der Glaube an transzendentale Angebote. Das können Sie nicht verhindern. Man muss es nur einmal aussprechen und solange man es aussprechen kann (vielleicht eher darf - Anm.) ist das ganz in Ordnung.
Die Kooperation-Kollaboration zwischen Kirchen und Klimabewegung ist eine ganz natürliche Geschichte. Ich warte darauf, dass es eine multireligiöse Veranstaltung von Christen, Muslimen und Juden gibt, bei der sie alle den Gott Klima anbeten. Ich glaube, dass das bald passieren wird. Und ich werde darüber schreiben!
(14:40-15:00) - Dazu passend aus der Rede, ein Zitat von Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) [12]:
"Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht an nichts, sie glauben allen möglichen Unsinn."
Das englischsprachige Original taucht in zwei Formen auf und lautet [13, 14]:
"When men choose not to believe in God, they do not thereafter believe in nothing, they then become capable of believing in anything."
"When Man ceases to worship God he does not worship nothing but worships everything."
(75:15-78:28) - Henryk M. Broder
Darf ich noch ein Wort sagen? Ich wollte nur eines klären, weil wir über Antisemitismus gesprochen haben. Das ist eine üble Geschichte, ich will es nicht herunterspielen, aber es ist politisch weitgehend irrelevant. Auch wenn es schrecklich und unentschuldbar ist, wenn jemand, der eine Kippa trägt, zusammengeschlagen wird, ist das im Grossen und Ganzen politisch irrelevant.
Das einzige, was heute politisch relevant ist, ist die Existenz Israels. Die meisten Juden glauben, dass sie Israel helfen, weiter zu existieren, wenn sie spenden, hinfahren oder was auch immer. Das ist Unsinn! Richtig ist, dass Israel die Sicherheit der Juden in der Diaspora garantiert. Nicht umgekehrt. Auch ohne die Spenden, die in jüdischen Organisation für Israel gesammelt werden, würde Israel gut überleben.
Was mich bestürzt und besorgt, ist die Zunahme des neuen Anti-Semitismus [15], der sich als Anti-Zionismus [16] maskiert hat. Es ist sehr schwer, Leuten zu erklären, dass auch der Anti-Semitismus mit der Zeit geht. Frauenfeindlichkeit artikuliert sich heute nicht so wie vor 100 Jahren, als die Frauen gerade das Wahlrecht erkämpft hatten. Jedes Ressentiment und jedes kollektive Verständnis von einer Gruppe geht mit der Zeit.
Wir haben einen Aussenminister (Heiko Maas [17] - Anm.), der wegen Auschwitz in die SPD eingetreten ist [18]. Ich finde das frivol und einfach unanständig. Ein klassischer Fall von Instrumentalisierung. Selbst dann, wenn es so wäre, sollte er das nicht sagen. Dieser Aussenminister fördert den Handel mit dem Iran. Er müsste eigentlich wissen, dass der Iran gegenüber Israel keine leeren Drohungen ausstösst.
Vor einer Woche ist eine Rakete aus dem Iran nach Israel abgefeuert worden. Das war keine Meldung in der Tagesschau, nicht einmal ganz zum Schluss vor dem Wetter. Israel ist existenziell bedroht. Es ist ein starkes Land und hat die Macht, mit seinen Gegnern fertig zu werden. All das ist unbestritten. Die Frage ist nur: Wie lange kann ein Land in einem solchen Spannungszustand leben? Gesund ist es sowieso nicht, in diesem Erwartungszustand der nächsten Endlösung zu leben. Das besorgt mich.
Es ist nicht der klassische Anti-Semitismus. Dieser ist weitgehend ein polizeiliches Problem. Egal ob er von den Linken, den Rechten, den Muslimen, Vegetariern oder den Radfahrern ausgeht. Das ist völlig egal. Entscheidend ist die Haltung der Politik gegenüber Israel. Darin liegt die einzige Form des Anti-Semitismus, die ich wirklich für gefährlich halte. Aktuell, aber auch potentiell.
Deswegen bin ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich für das Existenzrecht Israels [19, 20] aussprechen, obwohl es eigentlich eine Absurdität ist. Aber wie gesagt, Sie müssen noch eine Schippe drauflegen!
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Henryk_M._Broder
https://en.wikipedia.org/wiki/Henryk_Broder
[2] AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag - Henryk M. Broder zu Gast bei der AfD-Fraktion. Für Gerechtigkeit YouTube Kanal, 30. Januar 2019
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Alice_Weidel
https://en.wikipedia.org/wiki/Alice_Weidel
[4] Henryk M. Broder - Deutscher Bundestag - Diese Rede hielt Henryk M. Broder vor der AfD-Fraktion. Die Welt, 31. Januar 2019, von Henryk M. Broder https://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article187962993/Henryk-M-Broders-Rede-vor-der-AfD-Bundestagsfraktion.html
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Karsten_Hilse
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Hemmelgarn
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Renner
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Gauland
https://en.wikipedia.org/wiki/Alexander_Gauland
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Hamed_Abdel-Samad
https://en.wikipedia.org/wiki/Hamed_Abdel-Samad
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Joachim_Schellnhuber
https://en.wikipedia.org/wiki/Hans_Joachim_Schellnhuber
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Giordano_Bruno
https://en.wikipedia.org/wiki/Giordano_Bruno
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Gilbert_Keith_Chesterton
https://en.wikipedia.org/wiki/G._K._Chesterton
[13] https://www.goodreads.com/quotes/44015-when-men-choose-not-to-believe-in-god-they-do
[14] When Man Ceases to Worship God. Chesterton.org, April 29, 2012 https://www.chesterton.org/ceases-to-worship/
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_bis_1945
https://en.wikipedia.org/wiki/Antisemitism
https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_nach_1945
https://en.wikipedia.org/wiki/New_antisemitism
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Antizionismus
https://en.wikipedia.org/wiki/Anti-Zionism
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Heiko_Maas
https://en.wikipedia.org/wiki/Heiko_Maas
[18] Wegen Auschwitz in die Politik. Oder umgekehrt?. Die Achse des Guten, 22. August 2018, von Henryk M. Broder https://www.achgut.com/artikel/wegen_auschwitz_in_die_politik._oder_umgekehrt
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Existenzrecht_Israels
https://en.wikipedia.org/wiki/Right_to_exist
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Israel
https://en.wikipedia.org/wiki/Israel
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Zitat: "Es ist völlig egal, was Sie glauben". Dem kann ich nicht zustimmen. Der Glaube oder Fragen des Glaubens haben die Geschichte mehr geprägt als alles andere. Überhaupt, nichts funktioniert ohne einen entsprechenden Glauben daran, sei dieser nun religiös oder nicht. Glauben ist mehr als nur Glaube :-). Für mich ist der Glaube oder das An-ETWAS-Glauben, das Fundament von allem.
Danke für den Kommentar!
Und volle Zustimmung. Man kann
Der Aussage von Broder stimme ich somit selbstverständlich auch nicht zu, fand es aber nicht unbedingt nötig, sie zu kommentieren. Es handelte sich auch um eine unvorbereitete Äusserung im Rahmen der Fragerunde und war kein Teil der vorbereiteten Rede.
Solange die Menschen glauben, egal an was, respektiere ich diesen. Sie können auch an Steine glauben, wenn es die Erfüllung ist, warum nicht. Wo mein Respekt endet, ist wenn man mit diesen Steinen nach mir wirft. Und genau da übertritt ein Glaube meine Sphäre und dort werde ich intolerant und schließe diejenigen aus meinem Umfeld aus (ich diskriminiere sie also und dieses Recht nehme ich mir, egal ob es jemanden gefällt oder nicht).
Also Toleranz unbedingtes Ja, aber Grenzen sind einzuhalten.
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