Politik 120 - Jährlicher Korruptionsbericht von Transparency International
06. Februar 2019
Letzte Woche hat die in Berlin beheimatete Nichtregierungsorganisation Transparency International e. V. [1] ihren jährlich erscheinenden Bericht zur weltweiten Korruption im öffentlichen Sektor herausgegeben [2]. Der Report ist mit 16 Seiten sehr kompakt. Die Ergebnisse sind übersichtlich dargestellt, nur über die Methodik, der sich die Organisation bedient, um zu ihren Ergebnissen zu kommen, ist wenig ersichtlich. Auf der Webseite der Organisation gibt es weitere Informationen und Übersichten für jedes Land, dazu ein Anti-Korruptions Glossar [3].
Ein grober Überblick über die Resultate wurde in einem Video [4] gegeben. Dessen Inhalt möchte ich hier übersetzt wiedergeben, da das Original nur in englischer Sprache verfügbar ist:
The 2018 Corruption Perceptions Index or the CPI reveals that most countries are failing to fight corruption. Alarmingly, this year's results also show, that corruption is contributing to a crisis of democracy around the world. The CPI measures levels of corruption in the public sector in 180 countries and territories around using a scale of 0 to 100, where 0 is highly corrupt and 100 is very clean.
Der Corruption Perceptions Index 2018 (Korruptionswahrnehmungsindex) oder der CPI zeigt, dass es den meisten Länderm misslingt die Korruption zu bekämpfen. Erschreckend ist, dass die diesjährigen Ergebnisse auch zeigen, dass die Korruption zu einer Krise der Demokratie in der ganzen Welt beiträgt. Der CPI misst die Korruption im öffentlichen Sektor in 180 Ländern und Gebieten rund um den Globus mit einer Skala von 0 bis 100, wobei 0 sehr korrupt und 100 sehr sauber ist.
This year Denmark and New Zealand score the highest, while South Sudan, Syria and Somalia score the lowest. The truth is, that no country gets a perfect score. Since 2012 only 20 countries significantly improved their scores, while 16 countries significantly decreased. More troubling, the majority of countries have seen little or no progress. The global average score is 43/100, well below halfway.
In diesem Jahr haben Dänemark (88/100) und Neuseeland (87/100) die höchsten Werte erzielt, während Südsudan (13/100), Syrien (13/100) und Somalia (10/100) die niedrigsten Werte aufweisen. Die Wahrheit ist, dass kein Land eine perfekte Punktzahl erreicht. Seit 2012 haben nur 20 Länder ihre Ergebnisse deutlich verbessert, während 16 Länder deutlich abgestiegen sind. Noch beunruhigender ist, dass in den meisten Ländern kaum oder gar keine Fortschritte zu verzeichnen sind. Der globale Durchschnittswert liegt bei 43/100 und damit deutlich unterhalb der Hälfte.
Our analysis shows a disturbing connection between public sector corruption and a weakening of democratic institutions and norms. In the last few years several countries have also seen a rise of political candidates running on a populist platform who seek to undermine democratic institutions and push anti-democratic agendas. These politicians often use corruption scandals and public disillusionment to win power.
Unsere Analyse zeigt einen beunruhigenden Zusammenhang zwischen Korruption im öffentlichen Sektor und einer Schwächung der demokratischen Institutionen und Normen. In den letzten Jahren haben in mehreren Ländern auch politische Kandidaten mit populistischen Wahlprogrammen zugenommen, die versuchen, demokratische Institutionen zu untergraben und antidemokratische Agenden zu verfolgen. Diese Politiker nutzen oft Korruptionsskandale und öffentliche Desillusionierung, um die Macht zu gewinnen.
No matter where you are in the world, having strong, independent institutions, freedom of the press and engaged citizens is the most sustainable way to combat corruption. Despite what some populist leaders might claim.
Unabhängig davon, wo Sie sich auf der Welt befinden, sind starke, unabhängige Institutionen, Pressefreiheit und engagierte Bürger der nachhaltigste Weg, um Korruption zu bekämpfen. All dem zum Trotz, was einige populistische Führer behaupten mögen.
Support our fight and help us fight corruption. For more information visit http://www.transparency.org/cpi2018.
Unterstützen Sie unseren Kampf und helfen Sie uns, die Korruption zu bekämpfen. Für weitere Informationen besuchen Sie http://www.transparency.org/cpi2018.
Anmerkung: Wie andere eher revolutionär veranlagte Politiker nutzen Populisten die Ausgangslage des Versagens des bestehenden Systems, um ihren Wähleranteile wachsen zu lassen. Ich bin deswegen skeptisch, die Gefahr für eine Schwächung der Demokratie vor allem bei den Kräften zu suchen, die vom medialen Mainstream als (Rechts-)Populisten gehandelt werden. Vielmehr halte ich die Demokratie insgesamt für ein ziemlich empfindliches System, welches von allen Seiten untergraben werden kann und deswegen steter Pflege bedarf, wenn es nicht dysfunktional werden soll. Es können wie meist vermutet Aussenstehende im eigenen Land sein, die die Demokratie untergraben wollen, wobei es denen meist an entsprechender Kompetenz fehlt. Es können aber auch Kräfte innerhalb der Verwaltungsstrukturen sein, die anderes im Sinn haben als freiheitliche Demokratie oder gar ausländische Kräfte, die Zersetzung betreiben wollen. Gegen all diese Gefahren muss man sich wappnen und via gegenseitige Kontrollinstanzen verhindern, dass plötzlich Machtmonopole entstehen, die keiner verfassungsgemässen oder demokratischen Kontrolle mehr unterstehen.
Es sollte auch viel mehr Bildung in Sachen Politik und Volkswirtschaft von den Bürgern selbst betrieben werden und genauer überlegt, welche Institutionen für welche Bereiche zuständig sein sollen. Jedes beliebige Problem kann auf einer politischen Ebene diskutiert, aber nicht notwendigerweise auf dieser Ebene gelöst werden. Gerne wird beispielsweise gesagt, dass das Kernproblem des westlichen Kapitalismus darin bestehe, dass er stets auf Wachstum angewiesen sei, was ungesund sei. Wobei gerne vergessen wird, dass genau das in noch grösserem Masse auf die meisten sozialen Einrichtungen in diesen westlichen Ländern zutrifft. Die Ausgaben im Bereich soziale Wohlfahrt steigen in der Regel rascher als das Bruttoinlandprodukt oder die industrielle Produktion. Die daraus in Zukunft erwartbaren Verteilungskämpfe werden die Demokratie ganz entscheidend bedrohen. So jedenfalls lautet meine Einschätzung dazu. Ich rechne auch damit, dass die Politik die Verantwortung nicht bei sich suchen wird und versuchen wird, so zu tun, als hätte sie mit der Entwicklung nicht rechnen können, obwohl es mehr als absehbar ist.
In der Schweiz (85/100, Rang 3) wurde unter anderem auf der beliebten News-Plattform der Gratiszeitung 20 Minuten [5] über den neuen Bericht von Transparency International berichtet. Interessant war in den Kommentaren, dass sehr viel Kritik an den herrschenden Verhältnissen in der Schweiz geübt wurde und so getan wurde, als sei die Schweiz geradezu ein Biotop für Korruption und Nepotismus (Vetternwirtschaft).
Dass es in der Schweiz durchaus Korruption gibt, halte ich für eine Tatsache. Es gibt auch Geschäfte die dafür speziell anfällig sind, etwa grössere Aufträge im öffentlichen Bereich mit sensitiven Daten oder Rüstungsgeschäfte. Davon zeugen einige Skandale. Früher mit dem weitreichenden Bankgeheimnis boten sich auch für private Geschäfte mehr Gelegenheiten. Dennoch ist in Ländern wie der Schweiz Korruption im Alltag wenig präsent. Nahezu alle Angestellten im öffentlichen Dienst verdienen genug, um gut über die Runden zu kommen und zeigen sich von ein paar kleinen Geldscheinen, die zur Bestechung angeboten werden, kaum beeindruckt. Und, wenn die Korruption nicht anonym geschieht, hat man stets wenigstens einen Mitwisser über die eigene Nicht-Integrität, was sich herumsprechen und bei jeder denkbaren Gelegenheit negativ auswirken kann. Dass Korruption mit dem entsprechenden Geldbeutel und einem gewachsenen Beziehungsnetz durchaus möglich sein kann, will ich nicht bestreiten. Die Hürden sind aber ziemlich hoch.
Genau das, die Hürden für die Korruption hochzuhalten, ist in armen, sozialistischen Ländern kaum möglich. Es gibt kaum Wohlstand, dazu nicht wenige Staatsangestellte, die alle kaum über die Runden kommen und deswegen täglich zusehen müssen, wo sie bleiben. Auch wenn viele Schweizer eifrig nahezu die ganze Welt bereisen und wohl auch die einen oder anderen Erfahrungen mit örtlicher Korruption auf der alltäglichen Ebene machen, scheinen sie es sich kaum vorstellen zu können, wie es sich anfühlt, wenn man den Alltag in einer korrupten Gesellschaft bestreiten muss. Die Wertschätzung der eigenen, doch ziemlich privilegierten Verhältnisse erscheint durch den Eindruck aus genannten Kommentaren nicht besonders hoch zu sein.
Auch nach Grossregionen aufgeteilt ist die Auflistung bemerkenswert:
Grossregion | Ergebnis | Grossregion | Ergebnis |
---|---|---|---|
Westeuropa | 66/100 | Naher Osten und Nordafrika | 39/100 |
Nord- und Südamerika | 44/100 | Osteuropa und Zentralasien | 35/100 |
Asien und Pazifik | 44/100 | Sub-Sahara Afrika | 32/100 |
Total | 43/100 |
Die Ergebnisliste im Bericht liest sich wie zu erwarten nicht völlig verschieden von den Berichten über die Wirtschaftliche Freiheit (Index of Economic Freedom), die jährlich von der amerikanischen Heritage Foundation [6] und dem kanadischen Fraser Institute [7] herausgegeben werden.
Oben und in der Mitte stehen die (westlichen) Industriestaaten, in der Mitte die aufstrebenden Länder mit teilweise einem Erbe aus totalitären Zeiten. In der Mitte stehen auch die verhältnismässig modernen islamischen Länder. Unten stehen die Länder, die entweder aktuell ein sozialistisches Experiment versucht haben, an dessen Nachwirkungen leiden oder von Kriegen und bestehenden Konflikten unterschiedlicher Eskalationsstufe arg in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Am meisten überrascht hat mich das überraschend gute Ergebnis von Kuba. Dieses Land, welches in den Freiheitsindizes ein Abonemment für die hintersten Plätze hat, landet hier auf dem bemerkenswerten Rang 61/180 mit einer Wertung von 47/100.
Dass sich der afrikanische Kontinent sehr korrupt präsentiert, erstaunt mich nicht. Zu sehr haben sich nach dem Ende der Kolonialzeit Konflikte über die zumeist künstlich gezogenen Grenzen etabliert. Dazu wurden sozialistische oder islamische Experimente versucht, die in Ländern mit wenig angespartem Wohlstand umso schneller ihre zerstörerische Wirkung zeigen. Auch die gesellschaftliche Organisation in Stämmen, die in vielen afrikanischen Ländern eine Tatsache ist, kann nicht einfach nach Lehrbuch in einen demokratischen, nationalen Aufbau hineinpassen. Wenigstens gibt es mittlerweile einige Länder auf dem Kontinent, die als Vorbilder dienen können, beispielsweise Botswana oder Ruanda.
Sehr informativ ist auch, dass die Korruption nach Grossregionen verglichen wird. Es gibt sicherlich kulturelle Differenzen, nicht überall wird alles, was gemäss dem Bericht als Korruption gilt, notwendigerweise so aufgenommen. Aber dennoch lässt sich ablesen, dass viele Länder wohl wegen einer ausgeuferten Unkultur der Korruption, untauglichen Gesetzen und unfähigen Verwaltungen ganz entscheidend unten gehalten und um mögliche Fortschritte gebracht werden. Auch die (Staats-)Religion Islam muss sich diesen Vorwurf gefallen lassen, lediglich fünf islamisch geprägte Staaten schaffen es ins vorderste Drittel, nämlich die VAE (Vereinigten Arabischen Emirate), der Kleinstaat Brunei, Katar, Oman und Saudi Arabien.
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Transparency_International
https://de.wikipedia.org/wiki/Transparency_International
https://www.transparency.org/
[2] Corruption Perceptions Index 2018. Transparency International e. V., 30. Januar 2019 https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2018
[3] Anti-Corruption Glossary. Transparency International e. V. https://www.transparency.org/glossary
[4] Corruption Perceptions Index 2018 | Transparency International. Transparency International YouTube Kanal, 28. Januar 2019
[5] Neues Ranking - Das sind die korruptesten Länder der Welt. 20min.ch, 29. Januar 2019, von (bee/sda) https://www.20min.ch/ausland/news/story/Schweiz-bleibt-im-Korruptionsranking-von-Transparency-stabil-30301464
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Heritage_Foundation
https://de.wikipedia.org/wiki/Heritage_Foundation
Index of Economic Freedom: https://www.heritage.org/index/
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Fraser_Institute
https://de.wikipedia.org/wiki/Fraser_Institute
Index of Economic Freedom: https://www.fraserinstitute.org/studies/economic-freedom-of-the-world-2018-annual-report
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