Politik 119 - Ein Schwachpunkt der Politik der AfD
02. Februar 2019
Schon mehrfach habe ich angekündigt, auch kritische Artikel über die Politik der Partei Alternative für Deutschland (AfD) [1] zu veröffentlichen. Deren hauptsächlichen Schwachpunkt verorte ich als nach wie vor politischer Laie in der Aussenpolitik. Denn, auch wenn sich womöglich viele Deutsche wegen einer Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Aussenpolitik der Bundesrepublik Deutschland für eine Mitgliedschaft in der AfD entschieden, ist es eine Tatsache, dass die Partei nach wie vor kaum über erfahrene und gewiefte Aussenpolitiker verfügt.
Die verfolgte Doktrin scheint ziemlich umfassend von eurasischem Wunschdenken geprägt zu sein und von Enttäuschungen von der Europäischen Union (EU) [2] und den weiteren Westmächten Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika. Pragmatisch und direkt nachvollziehbar erscheinen mir die Kritik am Aufbau der Eurozone, den Zahlungsverpflichtungen, die Deutschland innerhalb der EU auf sich nimmt, ohne dass die bestehenden Verträge dies verlangen. Dazu kommt die Migrationspolitik, die Deutschland betreibt, die die meisten osteuropäischen Länder überhaupt nicht unterstützen.
Aus dieser Ausgangslage ergibt sich aus meiner Sicht unmittelbar eine mögliche Rolle. Nämlich die, sich als ausgleichende Kraft zwischen den osteuropäischen EU-Mitgliedern und den westlichen verdient zu machen. Wohlgemerkt bezieht sich das auf die EU-Mitglieder und Beitrittskandidaten, auf die osteuropäischen Länder ausserhalb der EU trifft das erst in zweiter Linie zu. Es geht darum, die Europäische Union, die leider ziemlich fragil geworden zu sein scheint zu stärken, bevor man sich um Länder hinter den EU-Grenzen kümmert. Klar, im Süden der EU gibt es eine Mittelmeerunion [3] und möglicherweise sogar Bestrebungen, die Allianz zu vertiefen, obwohl es mehr als genug Differenzen zwischen den Ländern gibt.
Im Osten gibt es nichts vergleichbares, aber sehr viel Nachholbedarf, die jüngeren Mitgliedsländer weiter in die EU zu integrieren. Darüber hinaus hat man mit Moldawien und der Ukraine zwei Nachbarländer, die ihre Rolle und ihren Weg zum Aufbau eines gewissen Wohlstands und Wohlergehens noch nicht gefunden haben und dazu im Inneren eine Zerstrittenheit entstanden ist. Diese besteht in Moldawien auf dem Gebiet Transnistrien und in Donezk-Lugansk im Osten der Ukraine. Zerstrittenheit existiert aber auch in anderen ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion, nämlich in Georgien mit den Konflikten um Abchasien und Südossetien, dazu in Aserbaidschan mit dem Bergkarabachkonflikt mit Armenien. Teilweise gehen die Konflikte auf frühere Zeiten zurück und wurden in der UdSSR nicht gelöst, teilweise entstanden sie erst danach.
Die Russland-Umarmung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) [4], wie ich es nenne, fand besonders in den Jahren 2000 bis 2005 statt. Danach, insbesondere ab 2013 wurde die Phase des Zuversicht durch eine Zeit der merklichen Abkühlung zwischen den Regierungen abgelöst. Es entstand sogar ein ganzer Katalog von Sanktionen im Bereich des Handels und des Personenverkehrs.
In diesen Sanktionen begründet liegt sicherlich ein Teil der rasch aufgekommenen Stärke der AfD in den Bundesländern der BRD, die früher zur DDR gehörten. Denn, diese Gebiete mussten sich von dem Schock durch die sehr rasch vollzogene Wiedervereinigung erst erholen und taten dies sicherlich in überdurchschnittlichem Masse mit der Erschliessung von neuen Märkten, zu denen auch Russland zählt. Viele dieser Betriebe stehen nicht auf über Jahrzehnte erarbeitetem Wohlstand und hoher Kapitalisierung, sondern sind zarte Pflänzchen, die unter Sanktionen rasch existentiell zu leiden beginnen. Deren Interessen müssen vertreten werden, dass die AfD das tut, ist sicherlich nicht falsch, aber es ist geboten, dies innerhalb des Rahmens zu tun, den die internationale Politik der BRD, EU und der NATO [5] vorgibt.
Die Westalliierten zeigten sich in der Vergangenheit wiederholt sehr skeptisch gegenüber deutschen Sonderwegen. Ich halte es für absolut geboten, dies zu berücksichtigen, da nicht davon auszugehen ist, dass sich die Kräfteverhältnisse in Mitteleuropa in Kürze so verändern werden, dass man unbedingt auf beste Verbindungen nach Russland und China angewiesen sein wird.
Der aussenpolitische Rahmen wird in Zukunft, wegen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU, weniger von London aus mitgeprägt werden, dafür stärker von Paris. Washington und London werden sich aber weiterhin über die NATO in die europäische Aussenpolitik einbringen. Frankreichs Spezialgebiete sind Afrika und Nahost, Osteuropa eher nicht. Dennoch gelang es auch Frankreich nicht, für Syrien, an dessen Grenzziehung es beim Sykes-Picot-Abkommen [6] mit dem Vereinigten Königreich einst beteiligt war, eine friedliche Lösung vorzuschlagen und mitzugestalten.
Dass die AfD Reisen unternimmt wie die nach Syrien - Christian Blex (AfD) [7], Abgeordneter im Landtag in Nordrhein-Westfalen hat ausführlich darüber berichtet - halte ich für in Ordnung, aber man sollte stets aufmerksam sein und auch davon ausgehen, dass einem durchaus potjomkinsche Dörfer gezeigt werden, die nicht unbedingt für die ganze Realität im Lande repräsentativ sind.
Dass die AfD Verträge wie den jüngst verabschiedeten zwischen Frankreich und Deutschland kritisch sieht, kann ich auch nachvollziehen. Gerade wenn man sich als jemanden versteht, der in der EU für Ausgleich sorgen will, sollte man skeptisch sein, wenn die beiden bevölkerungsreichsten Länder der EU ein sehr enges Abkommen unterzeichnen. Die Skepsis dürfte auch in den kleineren Mitgliedsstaaten offenbar sein, wenn sie sehen, dass sich zwischen Paris und Berlin offenbar eine Achse ausbildet, die ihinen möglicherweise eine ganze Reihe neuer Zwänge auferlegen kann und der Wettbewerb unter den Ländern weiter eingeschränkt wird. Der junge Abgeordnete Norbert Kleinwächter [8] hat den Vertrag umfassend in einem Video erklärt und kritisiert [9].
Diese Woche hat die AfD im Bundestag einen Antrag [10] zu einer veränderten Politik gegenüber Russland eingebracht. Für die AfD sprachen Armin Paul Hampel [11] und Anton Friesen [12], ein kasachisch-deutscher promovierter Politikwissenschafter. Positiv anmerken möchte ich, dass Armin Paul Hampel in seiner Rede das Schicksal des deutschen Journalisten Billy Six erwähnt, der seit bald drei Monaten in Venezuela inhaftiert ist [13]. Hampel war selbst viele Jahre als Journalist und Auslandskorrespondent tätig.
Bei den anderen Fraktionen stiess man mit dem Antrag nicht auf Begeisterung. Speziell Manuel Sarrazin (Bündnis 90 / Die Grünen) [14], Alexander Graf Lambsdorff (FDP) [15] und Norbert Röttgen (CDU) [16] monierten die mangelhafte Distanz zur russischen Staatsführung, die aus dem Westen seit geraumer Zeit harsch kritisiert wird.
Gegenwärtig existiert auch ein für die AfD sehr unangenehmer Fall eines in Polen angestrengten Gerichtsprozesses gegen einen mittlerweile ehemaligen Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier [17]. Manuel Ochsenreiter ist nachweislich gut vernetzt in seltsamen Bewegungen in Osteuropa und Russland und durch entsprechende Reisen aufgefallen [19]. Der Verdacht der Terrorfinanzierung und der Mitwirkung an einem Brandanschlag in der Ostukraine [20-22] wiegt schwer.
Es kann selbstverständlich sein, dass Herr Ochsenreiter in irgendeiner Weise übel hereingelegt wurde, aber an der Ausgangslage dafür war er nicht unbeteiligt. Für jemanden, der ernsthaft für Politiker, die als seriös wahrgenommen werden wollen, arbeiten will, ist der Aufenthalt in solchen Kreisen inakzeptabel. Vor allem dann, wenn man sich ausserhalb von geheimdienstlicher Beobachtung und Sabotage bewegen möchte.
Für mich ist völlig klar, dass es innerhalb der EU stets und auf verschiedenen Ebenen russisch-geheimdienstliche Einflussnahme gab, zur Zeit der UdSSR, aber auch danach. Dass Russland, seit sich Putin bei den klassisch linken Parteien unbeliebt gemacht hat, die rechten Bewegungen zu vereinnahmen versucht, erscheint auch ziemlich offensichtlich. Man tut gut daran, diese Einflussnahme nicht mit besonders offenen Armen zu begrüssen, sondern eher zurückzuweisen.
Denn man macht sich mit einer Naivität und Einfalt in der internationalen Vernetzung leicht umfassend angreifbar. Wer sich als konservative Bewegung mit nationalem Bezug zu positionieren versucht, sollte man sich zunächst auf sich selbst fokussieren und behutsam mit der Suche nach internationalen Allianzen umgehen. Eingehen sollte man sie, wenn überhaupt, mit Bewegungen in wirklich befreundeten Ländern.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_f%C3%BCr_Deutschland
https://en.wikipedia.org/wiki/Alternative_for_Germany
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Union
https://en.wikipedia.org/wiki/European_Union
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Union_für_den_Mittelmeerraum
https://en.wikipedia.org/wiki/Union_for_the_Mediterranean
https://fr.wikipedia.org/wiki/Union_pour_la_Méditerranée
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Schröder
https://en.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Schröder
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Nato
https://en.wikipedia.org/wiki/NATO
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot-Abkommen
https://en.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot_Agreement
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Blex
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Kleinwächter
[9] Norbert Kleinwächter AfD. Detailkritik des von Merkel und Macron unterzeichneten Vertrags. Für Gerechtigkeit YouTube Kanal, 22. Januar 2019
[10] Bundestagsdebatte zur Russlandpolitik am 31.01.19. phoenix YouTube Kanal, 31. Januar 2019
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Armin-Paul_Hampel
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Friesen
[13] Reporter in Venezuela gefangen - Seit 67 Tagen in Haft: Beginnt heute der Prozeß gegen Billy Six?. Junge Freiheit, 23. Januar 2019, von Martina Meckelein https://jungefreiheit.de/kultur/medien/2019/seit-67-tagen-in-haft-beginnt-heute-der-prozess-gegen-billy-six/
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Manuel_Sarrazin
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Graf_Lambsdorff
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Röttgen
https://en.wikipedia.org/wiki/Norbert_Röttgen
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Frohnmaier
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Manuel_Ochsenreiter
[19] Nach Anschlag unter Verdacht - AfD-Netzwerker kämpft für ein russisches Europa. T-Online, 31. Januar 2019, von Jonas Mueller-Töwe und Lars Wienand https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_85170128/afd-netzwerker-manuel-ochsenreiter-kaempft-fuer-ein-russisches-europa.html
[20] Prozess in Polen - Chat belastet Ochsenreiter. tagesschau, 31. Januar 2019, von Silvio Duwe und Georg Heil, rbb https://www.tagesschau.de/inland/ukraine-afd-ochsenreiter-101.html
[21] Verdacht der Terrorfinanzierung - Vorwürfe gegen Ex-AfD-Mitarbeiter erhärten sich. RBB, 31. Januar 2019 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/01/berlin-afd-ukraine-vorwuerfe-gegen-ochsenreiter-erhaerten-sich.html
[22] Alternative für Deutschland - AfD trennt sich nach Terrorvorwurf von Mitarbeiter. Zeit online, 17. Januar 2019, von Christian Fuchs und Daniel Müller https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-01/afd-politiker-manuel-ochsenreiter-brandanschlag-ukraine-terror-vorwurf
Bisherige Posts in der Rubrik «Politik».
Übersicht über alle Rubriken.