Von marode Märkten und anderen Gedankenverbrechen
Wenn es um Wirtschaft geht haben viele Leute Probleme mich politisch einzuordnen. Die Linken sagen, ich sei ein Kapitalist. Die Neoliberalen sagen ich sei ein Sozialist, weil ich mich für Gleichheit einsetze. Recht haben beide Seiten – und eben auch gleichzeitig unrecht.
Für mich besteht in erster Hinsicht nicht viel Unterschied zwischen einem Linken, der lauthals fordert, dass Eigentum abgeschafft werden muss und eine Planwirtschaft eingeführt werden soll oder eben einen Neoliberalen, der einen schwachen Staat fordert und damit die Marktmächte entfesseln möchte. Beide Seiten fordern damit unterm Strich nämlich, dass die Marktmacht in den Händen weniger gelegt werden soll und gleichzeitig streben sie ein Wirtschaftsmodell an, was ich für ineffizient halte.
Die Forderung nach freien Märkten ist so eine typische Forderung, die immer wieder reflexartig von Neoliberalen über die Lippen kommt und zumeist nicht durch intensives Nachdenken entsteht, sondern da man einfach nur bereits Bekanntes von sich gibt. Die Märkte der heutigen Zeit sind vermutlich die mit Abstand Freisten die wir je hatten. Natürlich befinden wir uns durchaus an einem Scheideweg und dies kann sich ändern. Aber noch nie in der Geschichte der Menschheit war es so einfach sein Geld in der Welt zu transferieren. Noch nie war es so einfach in alle möglichen Länder der Welt in gute Idee zu investieren. Und noch nie waren Märkte so transparent wie im Computerzeitalter und der Zugriff auf Information und Handel für nahezu jedermann greifbar.
Wie frei sollen die Märkte denn noch werden? Vielleicht sollte man mal nicht nur im Affekt das gleiche fordern, was man bereits den Monarchen der damaligen Zeit abverlangt hat, sondern eben den Kritikern einmal aufmerksam zuhören.
Die Linken hingegen beschuldigen das heutige Wirtschaftssystem als unfair und das die Massen unterdrückt werden. Auch so eine Laier bei der man das Gähnen bekommt. Ja, habt ihr den schon vergessen aus welchen Zeiten wir kommen? Als Frauen ihre Kinder mit Alkohol und Opium betäuben mussten, damit sie tagsüber in den Fabriken schuften konnten um überhaupt über die Runden zu kommen? Was auch immer wir heute auch für eine Zeit haben, es ist am Ende eben auch immer ein Jammern auf hohem Niveau.
Vielleicht sollte man eben doch nicht alles einfach nur stumpf schlecht reden und anderen die Schuld versuchen in die Schuhe zu schieben, sondern sich wirklich aktiv dafür einsetzen, dass der Wohlstand auf den Schultern vieler verteilt wird. Nicht durch eine Umverteilung, sondern einer aktiven Partizaption.
Denn was viele unter Kapitalismus verstehen ist eben ein sehr wirres Konstrukt. Zu Grund liegt dem ganzen eigentlich ein sehr komplexes Problem: Wie können wir dafür sorgen, dass die Bedürfnisse aller Menschen möglichst zufrieden stellend befriedigt werden können. Natürlich gibt es immer jene, die behaupten, dass dies ein sehr triviales Problem sei. Man könne ein Gremium einsetzen, dass dann einfach ermittelt, was benötigt wird und dann wird dies gemacht.
Was bereits unter einer gewissen Unschärfe leidet, weil Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in der Lage sind ihre Bedürfnisse zu ermittelt oder zu sagen, wird selbst beim korrekten Erfassen zu einem sehr teueren Unterfangen. Während sich eine kleinere Feier noch nach diesem Konzept ermitteln lässt, werden die Wechselabhängigkeiten in immer größeren Gruppen bis zu einer Gesellschaft hin immer komplexer.
Das am Ende z.B. eine Planwirtschaft nicht funktionieren kann, ist eine logische Sache. So sympatisch sie vielleicht von ihrer Idee auch sein mag. Jeder Mensch scheitert daran zu sagen, was er in der nächsten Woche gerne essen will. Wie soll den ein dedizierter Planer auf die Idee kommen, was Du benötigst und entsprechend im Voraus dies produzieren. Egal wie sehr er gewissenhaft und bestrebt versucht dieses Ziel zu erreichen, wird er immer in einem Schweinezyklus gefangen sein und auf Dauer immer verfehlen deine Bedürfnisse zu befriedigen.
Als Antwort auf diese Komplexität ist der Kapitalismus entstanden. Anstatt wenige Planer zu haben, wird jeder Teilnehmer des Systems verpflichtet die Entscheidungen innerhalb dieses zu validieren. Die Produkte werden in einem Markt zwischen Käufer und Verkäufer zusammen gebracht und darüber ein Preis festgelegt. Da jeder Teilnehmer über begrenzte Mittel verfügt und somit versucht für sich den maximalen Nutzen heraus zu schlagen, werden jene belohnt die dies gut schaffen und jene bestraft, die es schlecht tun.
Ja und gibt es mal einen Überhang von einem Produkt, dann sinkt eben der Preis und jemand mit einem geringeren Einkommen ist vielleicht eher bereit es zu kaufen und die Finger von einem anderen Produkt zu lassen. Somit reguliert der Markt sich von alleine. Wichtig ist natürlich hierbei, dass jeder auch wirklich Zugang zu diesem Markt hat und dort frei handeln kann. Was heute zumeist verständlich ist, ist in Zeiten des Feudalismus nicht normal gewesen.
Dadurch das jeder Teilnehmer selbst dazu gezwungen ist mit seinen verfügbaren Mitteln jene Produkte zu ermitteln, die für ihn den maximalen Nutzen stiften, umgeht man das riesige Problem der Komplexität. Jeder kann versuchen so zu leben, dass er für sich den maximalen Nutzen erzielt.
Eine häufige Kritik am Kapitalismus ist nicht, dass man keinen Zugang zu einem Markt hat, sondern das es innerhalb dieses Marktes sehr starke Teilnehmer gibt, die sehr viel Macht haben. Große Konglomerate und Mega-Konzerne, die sich in der Hand weniger befinden und regelrecht die Preise diktieren. Oftmals entstehen diese durchaus gerade dadurch, dass der Markt vollkommen dereguliert ist.
Für einen echten Kapitalisten ist ein solches Konstrukt ein absoluter Graus. Denn eine zentrale Säule des Kapitalismus ist, dass sich alle Entitäten von diesem in einem ständigen Wettbewerb befinden. Sobald dieser nicht mehr gegeben wird, beginnt ein solches System unfair zu werden. Das wohl klassischste Beispiel ist ein Monopolist. Da es für ihn überhaupt keinen Wettbewerbt mehr gibt, kann er seine Marktmacht einsetzen um für seine Produkte höhere Preise zu erzielen. Das Ergebnis ist, dass der Konsumt zunehmend mehr ausgepresst wird.
Während man hier und da mal einen Wettbewerbshüter darüber sinnieren hört, ist dies leider nur selten eine Forderung aus dem liberalen Lager. Hat jemand schon einmal jemanden gehört, der gesagt hat, dass man stärkere staatliche Strukturen braucht um Monopole effektiver zu bekämpfen? Also... ich meine außerhalb des akademischen Bereiches?
Das unsere Märkte oftmals bereits aus den Fugen geraten, erkennt man durchaus, wenn man genau hinschaut. Wenn man einmal genauer hinschaut, sieht man durchaus öfters Beispiele dafür, dass nicht der Markt die Produkte wählt, sondern der Produzent. Ein Apple-Guru steigt vom Himmel hinab und verkündet, dass die Menschen nun alle keine Kopfhörerbuchse mehr brauchen. Viele Kunden schauen sich irritiert an und sagen, dass sie eine Wollen und der Produzent sagt, dass es das aber nicht mehr gebe.
Digital Right Management (DRM) ist ein weiteres Beispiel. Habt ihr je einen Kunden gehört, der gesagt hat, dass er dies gerne möchte? Habt ihr je gehört, dass Kunden gerne Audio-CDs mit Kopierschutz haben wollen? Nein, im Gegenteil! Der Kunde möchte am liebsten einen einmaligen fairen Preis für ein Produkt bezahlen und dann auf allen Geräten und Plattformen dieses nutzen können. Nicht nur ein paar Jahre, sondern am liebsten ein Leben lang. Trotzdem setzen sich solche geschlossenen Systeme durch. Sicherlich auch aus Unfähigkeit vieler Verbraucher, aber eben oft auch, weil eine Firma es diktiert und damit unterm Strich die Kunden noch enger an sich bindet.
Wenn es einen vernünftigen Wettbewerb gibt, dann müsste eigentlich immer sofort ein Mitbewerber zur Seite stehen und sofort in den Markt eintreten um Konkurrenz zu machen. So zumindest die Theorie. Die Folge konnte man vor einigen Jahren in Thailand geben als es schwere Überschwemmungen gab und viele Fabriken überfluteten. Plötzlich schossen die Preise für Festplatten nach oben, weil bestimmte Teile nicht mehr geliefert werden konnten, die nur in dieser Fabrik gefertigt wurden.
Wie kann es sein, dass in einem freien Markt der unter Wettbewerb steht nur eine einzige Fabrik diese Teile fertigt? Es muss ja der Theorie nach zahlreiche Mitbewerber geben, die entsprechend einspringen würden. Und diese fallen nicht vom Himmel, den der Aufbau einer solchen Anlage findet eben auch nicht über Nacht statt, sondern benötigt entsprechend Vorlauf.
Was wäre, wenn wir in dieser Welt nicht Probleme mit unfreien Märkten haben? Sondern wenn die wahre Krise des Kapitalismus darin begründet ist, dass wir zuwenig Wettbewerb haben, weil einige der Akteure sich eben genau diesem für das System so wichtigen Wettbewerb gar nicht mehr erst stellen. Wenn sie angeblich Systemrelevant sind und „too big to fail“ sind um nicht mehr für Fehlentscheidungen gerade zu stehen? Wenn wir einen Fachkräftemangel am ArbeitsMARKT haben und gleichzeitig seit Jahren stagnierende Arbeitslöhne haben? Wenn es Akteure am Markt geben, die entscheiden was der Kunde kaufen soll ohne das dieser wirklich in der Lage ist seine Wünsche einzubringen?
Natürlich belege ich die These hier nur mit einigen durchaus subjektiven Beobachtungen, die unterm Strich nicht wesentlich mehr sein können als Indizien. Aber ich bin mir sehr sicher, dass sehr viele Menschen diese Beobachtungen teilen und irgendwie in sich auch spüren. Es wäre fatal, weil unser kapitalistisches System in einem solchen Fall an seinem wichtigsten Fundament bröckelt und geschwächt würde.
In einem solchen Fall würden durchaus die liberalen Kräfte und die Linken gleiche Ziele verfolgen ohne dies überhaupt zu merken. Denn keiner der beiden Seite würde wirklich ein Interesse daran haben, wenn es übermächtige Mega-Konzerne gibt, die als Monopolist einen Markt beherrschen. Welche glückliche Fügung des Schicksals, dass diese beiden verfeindeten Seiten mal mit dem gleichen Ziel darstehen würden. Bleibt nur zu hoffen, dass sie nicht einfach nur ihre stumpfen angelernten Parolen von sich geben.
Ich persönlich denke, dass eine freie Gesellschaft eine Gesellschaft ist in der wir einen funktionierenden Markt haben an dem möglichst alle Bürger aktiv teilhaben können. Die mit guten Entscheidungen ein wenig mehr als jene mit schlechten Entscheidungen. Investiert aber die gesamte Gesellschaft aktiv in Unternehmen, werden solche Machtentitäten regelmäßig herausgefordert und müssen sich am Markt gegen die Neuen durchsetzen.
Erst durch diesen Wettbewerb entsteht dann für alle Konsumenten ein besseres oder günstigeres Produkt. Wer hätte vor einigen Jahren noch gedacht, dass die Marktmacht eines Karstadt oder Otto von so einem Internetkonzern wie Amazon gebrochen werden kann? Und wer glaubt, dass diese nicht aufmerksam nach Alibaba blicken und sich darum sorgen, dass diese ihnen irgendwann einmal die Pole Position abnehmen werden?
Die gute Nachricht ist, dass der „Kampf“ noch lange nicht verloren ist. Wieso sonst fallen Konglomerate wie Siemens auseinander und trennen immer mehr Teile ihres Unternehmen in kleinere und schlagkräftigere Einheiten auf? Weil große Machtblöcke auch immer langsam und träge sind, insbesondere dann, wenn sie sich nicht regelmäßig erneuern. Zeit also das breite Teile der Gesellschaft sich endlich am Markt beteiligen um die Karten auch mal neu zu mischen.
Denn Hand aufs Herz: Das würde unter dem Strich eine bessere Gesellschaft ergeben als sich gegenseitig mit immer wieder den gleichen Thesen und Anfeindungen zu begegnen, die man sich nun schon seit Jahrhunderten an den Kopf schmeißt. Vielleicht hat ja jede Seite ein wenig Recht wenn sie darauf zeigt, woran es innerhalb unserer Gesellschaft stinkt. Doch beide Seiten wären besser beraten endlich miteinander in einen würdigen Wettbewerb miteinander zu treten. Davon würden alle Konsu... äh Bürger... langfristig profitieren!
Mit so einer Meinung hat man es schwer, da sie so unaufgeregt ist. Das bringt keine Klicks. ;-)
Aber wie immer eine gute Analyse.
Entfesselte Märkte ersetzen den Begriff des Staates durch Konzerne. Same same but different.
Dass das den meisten Entscheidungsträgern nicht bewusst ist, wage ich übrigens zu bezweifeln - Hanlons Rasiermesser zum Trotz.
Hm, dabei habe ich gedacht, dass ich mich damit gleich mit den beiden größten Ideologien gleichzeitig verscherzen würde. Ich notiere mir: Mehr Kurvendiskussionen, Entwicklung am Sexmarkt und Fussball. Das sollte die Klicks steigern ;D
Nein, solange man jemanden zumindest dazu bringt darüber nachzudenken (man muss ja nichtmal zustimmen), ist das ja schon genug.
Ich glaube ich halte doch zu Hanlon ;) Ich kann wahrlich nicht bei jedem Thema mitreden, aber wenn ich mir die Kompetenz in Interviews aktueller Träger ansehe, wundere ich mich manchmal, dass der Kopf nicht zur Seite wegklappt oder beginnt nach oben zu schweben. Gerade in Wirtschaftsthemen ist nie ein Volkswirt zu sehen, der vielleicht die gröbsten Schnitzer erkennen könnte. Vielleicht sollte man lieber mal wieder mit ein paar Experten probieren und nicht ständig mit Juristen :-/