Substratum Crash - Oder von der menschlichen Angst
Heute will ich an Hand eines aktuellen Falls einmal ein wenig darüber sinnieren wieso es so viele Menschen gibt, die subjektiv immer wieder glauben den Rest der Welt schlagen zu können und das obwohl man mit nur ein wenig Nachdenken bereits erkennen kann, dass es ein Fehler ist. Die Sache ist eigentlich klar mit besonders viel Adrenalin im Kopf, denkt ein Primatenhirn nicht besonders gut.
Aber zunächst einmal von vorne. In unserem heutigen Fall geht es um die Kryptocoin „Substratum“. Hierbei handelt es sich um ein Projekt welches nichts weniger versucht als ein dezentrales Netz aufzubauen. Jeder der in diesem Netz etwas hosten will, zahlt für das Hosting einen kleinen Betrag. Greift nun ein Nutzer darauf zu, wird er über mehrere Nodes geleitet und auf diese Weise der Zugriff darauf verschleiert. Je nachdem wieviele Leute darauf zugreifen, desto mehr muss der Hoster bezahlen.
Gleichzeitig kann jeder bei sich einen Node betreiben und bekommt dafür einen paar Substratum gut geschrieben. Die Idee dahinter ist, dass die meisten Leute auf diese Weise auch ihr Hosting wieder bezahlen können. So ganz grob die Idee dahinter, die im Kern nicht einmal schlecht ist und entsprechend diese Altcoin auch durchaus im letzten Jahr eine gewisse Popularität hatte. Selbstverständlich ist man dabei auch im Bärenmarkt mächtig unter die Räder gekommen und rangiert inzwischen bei einem Bruchteil des ursprünglichen Wertes.
Doch heute passierte nun dies hier:
Der interessante Part spielt sich hier natürlich ganz am Ende ab als ein Blitzcrash den Wert der Coin in BTC und USD um satte -30% zum abschmieren brachte. Dies ist natürlich schon eine auffällige Anomalie, da die meisten Coins momentan eher lustlos vor sich hin dümpeln. Es muss also eine Erklärung dafür geben. Gott sei Dank sind wir in diesen Zeiten ja damit gesegnet, dass wir schnell im Netz suchen können und nicht ratlos bleiben müssen.
Hintergrund des Crashs ist es, dass der große Exchange Binance die Coin von ihrer Handelsliste entfernt hat. Ohne große Ankündigung oder irgend etwas. Da es eben eine wichtige Handelsplattform ist, sorgt man sich nun darum, dass der Handel stark zurück gehen kann... und vielleicht auch noch mehr dahinter stecken könnte.
Die Rufe nach einem SCAM werden laut. Immerhin ist Substratum in ihrer aktuellen Roadmap stark im Verzug und hat bisher nicht wirklich etwas überzeugendes geliefert. Gerade die ersten veröffentlichten Versionen waren ziemlich enttäuschend und nahe an einem Level, dass ich mich fragte, ob dort wirklich professionelle Entwickler dran gesessen haben und soviel Zeit dafür brauchten. Das nun auch die V1 nicht wie versprochen zum Jahreswechsel gekommen ist, macht die Halter nun natürlich nervös.
Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, ich bin auch in diese Coin investiert und habe einen kleineren Teil zu einem guten Preis damals bekommen. Werde ich also nun panisch verkaufen? Natürlich nicht. Man soll kaufen, wenn die Kanonen donnern. Genau das tun sie aktuell eben. Leider gibt es sehr viele Leute, die nun diese News sehen und beginnen ihre Coins zu verkaufen.
Solche Phänomene begnegnet man immer wieder. Bei Kryptos und auch im Aktienmarkt. Kaum gibt es eine schlechte Nachricht und die Panik bricht aus, begibt sich jeder in der Herde auf dem Weg zur Börse. Es erklärt sich von selbst, dass in einem solchen Fall die Verkäufer die Oberhand gewinnen und die Kurse nach unten ziehen. Treiber ist dabei, dass jeder die News liest und denkt, dass er sie früher als andere bekommen hat und deswegen noch einen Vorteil hat.
Macht Euch nichts vor! Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Wenn ihr etwas lest, ist es unlängst von anderer Seite bereits verarbeitet und eingepreist worden! Trotzdem denken viele Leute, dass sie wenn die Nachricht tagsüber kommt, bequem zu Hause Abends noch die Order einstellen können um schlimmeres zu verhindern.
Besonders pikant dabei ist, dass dies zunächst zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung wird. Gerade durch die vielen Verkäufe, sinkt der Preis ja weiter und man scheint im ersten Moment recht behalten zu haben und einen größeren Verlust verhindert zu haben. Die schwachen Hände nehmen dabei zu und immer mehr Marktteilnehmer verkaufen, weil sie Angst haben, dass ein weiteres warten zu größeren Verlusten führen würde.
Ich tue also erst einmal gar nichts. Ich hätte verkaufen sollen als die ersten Version rauskamen und man enttäuscht davon war. Ich hätte verkaufen sollen als man die ersten Verzüge im Plan hatte und diese nicht sauber oder plausibel hat kommuniziert. Inzwischen bin ich durch den Bärenmarkt bereits im tiefen rot mit diesen Coins. Ich habe eigentlich ja bereits alles an Wert verloren – außer eben die Coins selbst.
Der Projektleiter hat sich vor einer Stunde geäußert und sich ebenfalls verwundert gezeigt, da man von Seiten von Binance nicht zuvor kontaktiert wurde. Man versucht dies zu klären. Vielleicht ist es eben also doch nur ein Missverständnis und klärt sich als technisches Problem. Für einen Scam wäre ein solches Verhalten auch merkwürdig. Überhaupt macht man nicht kurz vor dem Exit ein Token Swap und steigt dann aus, wenn man im Bärenmarkt ist. Hinhalte-Taktik? Vielleicht! Aber eben auch potenziell eine Chance, dass es doch alles weiter geht und doch noch etwas daraus erwachsen kann.
Wenn die Kanonen donnern, sollte man besonnen agieren und erst recht nicht auf Grund von Emotionen oder Gerüchten agieren. Ich kenne nur wenige Leute, die dadurch wirklich etwas positives konstruiert haben. Es ist bereits alles eingepreist, also gehe ich – all in. Das Geld ist für mich sowieso abgeschrieben und mit 0€ in den Büchern... aber ich habe noch eine Restmasse aus der theoretisch etwas positives entwickeln kann.
Es ist überall das gleiche Spiel. Da sieht man Leute, die panisch P2P-Kredite verkaufen mit 80% Abschlag, obwohl historisch und statistisch rund 50% des Kapitals eingetrieben werden kann. Für manchen Menschen scheint es einfacher zu sein einen großen Verlust zu realisieren und ein Schlussstrich zu ziehen als eben einfach abzuwarten und die Show zu genießen. IMHO immer ein klares Zeichen dafür, dass man das eigene Risikoprofil falsch eingeschätzt hat und einem der Verlust eben doch weh tut.
Immerhin seht ihr auf der Grafik auch einen kleinen Haken nach oben. Es gab also zum massiven Sturz eine technische Gegenreaktion, die zeigt, dass es immer noch Leute gibt, die daran glauben und investieren. Auf jene setze ich und bleibe daher ruhig.
Übrigens wer nun denkt, dass er ein gutes Geschäft macht und mit Substratum zu traden um auf einen Kursanstieg zu setzen, macht es wohl auch nicht richtig. Es ist eben ein sehr hohes Risiko und für einen kurzen Trade in Deutschland fallen im Zweifel dann ~50% Steuer an, da man die Haltezeit nicht eingehalten hat. So bombe das sich der Papierkram da lohnt, wird es wohl eher nicht reichen und steht in keinem Verhältnis mit dem Risiko.
Rein geht man nur, wenn man an das Projekt glaubt und bereits ist langfristig zu halten! Eben auch dann, wenn es mal stark abstürzt und der Markt gerade wieder einmal in Panik gerät ;)